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Am cmdern Morgen war das Dorf voller Aufregung über den Schneider und seine Volksversammlung. Daß der Pastor an diesem Sonntage mit besondrer Sammlung gepredigt hätte, kann man nicht behaupten. Und der Herr Kantor verbrach auf der Orgel unglaubliche Dinge. Gleich uach dem Gottesdieuste aber kam er zitternd vor Entrüstung znm Pastor gelaufen, beklagte sich über den schnöden Undank der Gemeinde und verlangte Berichte und Gegenbeschwerden an die königliche Regierung. Der Pastor zog die Achseln bis an die Ohren nnd erklärte, es sei nichts zu inachen, man müsse abwarten, was komme. Und das war auch ganz richtig.
Nach einigen Wochen kam die Beschwerde von der königlichen Regierung zur Untersuchung des Falles nnd demnächstigen Bericht zurück. Der Herr Pastor eröffnete eine umfassende Untersuchung nnd schrieb Dutzende von Protokollen. Es kenn zu Tage, daß deu Beschuldigungen teils gar nichts, teils kleine Unregelmäßigkeiten zu Grnnde lagen. Insbesondre hatte der Herr Kantor, der ein warmer Patriot war, uicht gesagt, der Kaiser habe nichts zn sagen; sondern: zn Recht bestehende Dinge könne anch der .Kaiser nicht ändern. Schließlich packte der Pastor seine Protokolle znsammen und überreichte sie der Regierung mit der ebenso gehorsamen wie dringenden Bitte, den Lehrer gegen derartige nngerechtfertigte Angriffe, die auf nichts andres als bewußte Verleumduugcn hinausliefen, in Schntz zu nehmen. Die Regierung wies die Beschwerde von Schade und Genossen in sehr bestimmteu Ausdrücken zurück uud sprach zugleich ihre Bereitwilligkeit aus, den Lehrer in nachdrücklicher Weise zu schlitzen. Dies werde am besten geschehen, wenn der Lehrer, den sie dazu ausdrücklich anweise, eine Beleidigungsklage gegen die Beschwerdeführer anstrenge.
Der Herr Kantor weigerte sich, die Klage zu stellen. Darauf kam die Autwort: dcnm habe der Herr Lokalschnlinspektor als der nächste Borgesetzte des Lehrers die Gemeinde zu verklagen.
Da war auch bei dem Pastor von Beffleben das Maß voll. Er nahm einen Bogen Papier nnd schrieb an die königliche Regierung: er habe die Ortsschulaufsicht im Nebenamte unter der Voraussetzung übernommen, daß das Nebenamt mit dem Hanptamte nicht kvllidire. Wenn die königliche Regierung den Ortsschul- inspcktor anweise, eine Klage zn erheben, so habe sie nnzweifelhaft ein Recht dazu; er jedoch als Pastor könne uud dürfe seine Gemeinde nicht verklagen. Er lege nlso sein Amt nieder und zweifle nicht daran, daß das Konsistorium in Würdignng seiner Gründe seinen Entschluß billigen werde. —
Eines Tages kehrte der Herr Schulrat Meyerhvser erkältet uud ärgerlich von einer längern Dienstreise zurück. Während der Zeit seiner Abwesenheit hatte sich ei» großer Haufe von Schriftstücken angesammelt. Das ist schon an sich kein erfreulicher Anblick, aber manchmal steckt iu eiuem solche» Haufen ein ganzes Nest von Verdruß. Ein Keuuer sieht das dem Stoße von Papiere» schon von außen n». Woran man es sieht, läßt sich nicht sage», das ist Gefühlssache. Der Herr Schnlrat sah seine Eingänge mit mißtrauischen Blicken nn; als Kenner ahnte er nichts gutes, nnd er hatte sich auch nicht getäuscht.
Zuerst kamen ein paar Anstellnngssachen, die nach Schema I? zu erledige» waren, dann ein paar Nevisionsberichle, die nichts nenes enthielten. Nun aber giugs los: eine anonyme Anzeige gegen Schluck iu Affleben. Schluck treibe es "rger denn je nnd besorge auch noch dem Schnlze» seine Schreibereien. Ferner tune Anzeige gegen den Pastor in Beffleben. Er nehme den Kantor in parteiischer Weise in Schntz nnd habe anch die Untersuchung Parteiisch geführt. Sodann ei»e