Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
eignen Vorteil aus; wenn sichs aber um die Schule handle, dann sei keiner zu haben. So was zu sagen, sei eine Gemeinheit, und nun werde die Schule erst recht nicht gebaut.
Der Herr Pastor gab sich alle erdenkliche Mühe, seinen „Schulräten" klarzumachen, daß das Einkommen des Lehrers gesetzlich festgesetzt sei, und daß sie kein Recht hätten, dem Lehrer sein Einkommen zu kürzen. Der Lehrer stehe nicht unter der Aufsicht des Schulvorstandes, sondern unter der des Staates. Es stehe ihnen frei, eine Beschwerde einzureichen, aber zu einem Beschluß wie dem, den sie verlangten, werde er, der Pastor, mm uud »immer die Hand bieten. Die Herren »Schulräte" wurden wild, erwiderten, was sie dann als Schulräte noch sollten, wenn man ihnen verbiete, Beschlüsse zu fassen, uud zogen endlich ab.
Nach einigen Tagen brachte der Briefbote wieder einen Dorfpostbricf, der mit einer Nickelmünze gesiegelt war. Darin meldeten die Herren „Schulräte," daß, da der Herr Pastor ihnen ihr gutes Recht verkürze, sie sich veranlaßt sähen, ihr Amt niederzulegen. Das war ein Schachzug, den der Schulze nusgesonnen hatte. Das gute Recht war uur ein Vorwand, in Wahrheit handelte es sich um den Schulbau, der nicht in Gang kommen konnte, wenn kein Schulvorstand dawar. Der Pastor ärgerte sich über seine Beffleber und berichtete an den Landrat. Der Landrat ordnete die Neuwahl des Schulvorstandes an. Aber da die Wühler ausblieben, kam die Neuwahl nicht zustande. Der Landrat ernannte darauf die Mitglieder des Schulvorflnndes aus eigner Machtvollkommenheit. Da diese Mitglieder aber nicht das Recht hatten, die Gemeinde in vermögensrechtlicher Beziehung zu vertreten, und da die Gemeinde zu einem „diesbezüglichen" Beschluß nicht zu bewegen war, so stand der Schulbau so still wie zuvor.
Ju dieser Zeit zog Herr Schulrat Meyerhofcr wieder rcvidirend durchs Land. Als er aber hörte, wie es in Beffleben stand, und sich darau eriunerte, daß er dem Kantor sein Wort gegeben hatte, machte er einen großen Bogen um Beffleben herum.
Nuu wohnte in Beffleben ein Schneider, der den Beruf zum Volksreduer iu sich fühlte. Bisher hatten seine Bemühungen bei der Gemeinde noch reine Gegenliebe gefunden; es hatte auch noch an einein rechten Anlaß gefehlt. Jetzt glaubte er, daß der Augenblick gekommen sei, sich an die Spitze des öffentlichen Unwillens All stellen. Da er Ermunterung fand, beschloß er, zunächst eine Verschwörung anzuzetteln. Er stieg, Hintergassen und Hiuterthüreu benutzend, um die Abend- dämmeruug im Dorfe herum und suchte die Feinde des Kantors auf, Hermann Blvwitz, der es dem Herrn Kantor nie vergeben konnte, daß ihn dieser einmal zur Thür hinausbefördert hatte, als er bei einer Beschwerde ungezogen geworden war, August Raupe, der dem Kantor feind war, weil dieser mit seinein Nachbar uud Todfeinde befreundet war, Heinrich Schade, der dem Kantor grollte, weil er ihm noch den Pacht schuldete, und einige andre. Diese Biedermänner versammelte der Schneider spät abends in seiner Hinterstube. Was dort verhandelt wurde, 'st tiefes Geheimnis geblieben, uur soviel erfuhr man, daß der Schneider, der "u einem auffälligen Mangel an Seßhaftigkeit litt, ein halbdntzendmal in die Stadt gegangen und wiederholt in der Redaktion der „Volkslenchte" gesehen worden war.
Eines schönen Sonnabends wurde in Beffleben ausgeklingelt, daß am Abend im Krug eine Volksversammlung gehalten werden würde, iu der über Schul- "ugelegeuheiten Beschluß gefaßt werden sollte. Am Abend versammelte sich alles, was Neigung hatte, über die Schule zu schimpfen. Den Herren des Schulvorstandes waren in der ersten Reihe Ehrenplätze eingeräumt worden. Einige Neutrale