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was verlangen wir von einem bürgerlichen Gesetzbuch?
bringung seines Werks so notwendig ist. Denn ist man darüber einig, daß keins der bestehenden Svnderrechtc den Anforderungen der Gegenwart so vollkommen entspricht, daß es wert wäre, einfach zum Reichsrecht erhoben zu werden, so fällt auch die Notwendigkeit weg, das neue gemeinsame Recht sklavisch streng dem oder jenem bereits geltenden Landrecht anzupassen. Muß sich das Sonderrecht in vielfacher Hinsicht Abänderungen gefallen lassen, so ist es dann auch gleichgültig, ob diese Abänderungen völlig neues Recht euthalteu oder mit einzelnen Bestimmungen andrer Landesrechte übereinstimmeu. Das neue Recht vermag sich also unbehindert deu veränderten Verhältnissen anzupassen und braucht sich nicht durch die Furcht, iu Widerspruch mit dem bisher geltenden Recht zu treten, Fesseln anlegen zu lassen. Der Widerspruch des neuen gemeinsamen Rechts mit den alten Sonderrechten ist nun einmal unvermeidlich. Diese erzwungne Rücksichtslosigkeit aber macht das neue Recht nur lebensfähiger. Sehr richtig sagt Gierte, eine Gesetzeskodifikation habe nnr dann Anspruch auf langes Leben, wenn sie nicht das frühere Recht, sondern das wünschenswerte, das gewünschte Recht als ihren Inhalt biete. Nun, die Umstände, unter denen ein gemeinsames bürgerliches deutsches Recht zustande kommt, begünstigen durchaus die Schaffung dieses gewünschten Rechts nnd öffnen die Wege für neue Bahnen, wo solche notwendig erscheinen.' Die Gelegenheit, die schöpferische Kraft, die auf Jahrzehute hinaus dem Nechtslebe» seine Bahnen vorschreibt, zu bethätige», ist gegeben. Man wird zu prüfe» haben, ob von ihr Gebrauch gemacht worden ist.
Daß hierbei mit der bisherigen Rechtsentwickluug völlig gebrochen werde, ist ohnedies nicht zu fürchten. Die Natur macht keine Sprünge, und der Gesetzgeber ist unbewußt viel mehr geueigt, sich au das Alte nuzuschließen, als Nencs zn schaffen. Es liegt nahe, diesen Allschluß dauu dort zu suchen, lvv wir bereits gemeinsames Recht in Deutschland haben. Hier hat ja gerade die Wissenschaft des deutschen Privatrechts genügend vorgearbeitet. Die Berücksichtigung ihrer Ergebnisse würde dem Recht zugleich den deutschncitionaleu Zug geben, der lebhaft gefordert wird.
3. Der Umfang der Gesetzgebung
Daß das ueue Gesetzbuch nur bürgerliches, nicht z. B. öffentliches Recht zum Inhalt haben will, sagt schon seine Bezeichnung als bürgerliches Gesetzbuch und bedarf nicht noch besondrer Hervorhebung. Diese Beschränkung auf das bürgerliche Recht ist alleu neuern Kodifikationen eigen. Eine Ausnahme macht nur das preußische Landrecht, und nicht zn seinem Vorteil. Eine andre Frage dagegen ist es, ob in das Gesetzbuch das gesamte bürgerliche Recht aufzunehmen sei, oder ob einzelne Stoffe auszuscheiden und der Regelung durch Sondergesetze vorzubehalten seien. Dies dürfte im wesentlichen allein nach Zweckmäßigkeitsgründen zu beantworten sein. So ist allgemein das Handels-,