Eiserne Brücken
121
Es wurde daher auf den Pfeilern, die von Anfang an für zwei Geleise eingerichtet waren, eine neue Brücke aufgeführt und der Betrieb der alten Brücke aufgegeben. Ein Joch der letztern wurde auch hier auf besondre Landpfeiler geschoben, und außerdem wurden zu beiden Seiten feste, von der Brücke unabhängige Gerüste errichtet, von denen aus die Bewegungen der Brücke wieder durch ein Registririnstrument und sogar durch photographische Apparate festgestellt werden konnten. Während die Brückenbahn wieder mit Schienen und Sand belastet wurde, hatte sich bei einer Last von 11000 Zentnern ein Obergurt nach außen, der andre nach innen ausgebaucht, und die Hauptträger hatten sich bis 5 Centimeter gebogen. Bei weiterer Belastung sollen sich die Träger um weitere 2,6 Centimeter gebogen haben, wonach die Brücke eingestürzt ist. Nach Zeitungsberichten soll die Beanspruchung des Gurtquerschnittes zur Zeit des Einsturzes 2800 Kilogramm für den Quadrateentimeter betragen haben, wonach die Brücke immer noch eine fast vierfache Sicherheit gehabt hätte, ein Ergebnis, das in Anbetracht des schlechten Materials außerordentlich günstig ist.
Znr Beurteilung der Dauer versteifter Bogenbrücken fehlt jeglicher Anhalt, da derartige Brücken bisher weder im Betriebe eingestürzt, noch zu Ein- stnrzversuchen verwendet worden zu sein scheinen. Selbstverständlich wird die Dauer dieser Brücken weit größer sein als die der nicht versteiften Brücken. Dabei wird es außer auf gutes Material und richtige Abmessung hauptsächlich noch darauf ankommen, daß die Bogen nicht zu flach, d.h. nicht über das Verhältnis von ungefähr 1:25 hinaus konstruirt werden,'d. h. daß sie auf je 25 Meter Spannweite mindestens einen Meter Bogen- oder Pfeilhöhe erhalten, und daß bei zweigleisigen Eisenbahnen jede Fahrbahn — wenn irgend möglich — ihre eigne Brücke erhält, damit Seitenschwankungen vermieden werden, die beim Darüberfahren der Züge entstehen müssen, wenn zwei Gleise auf einundder- selben Brücke liegen. Dies gilt natürlich und ganz besonders auch für gerade Brücken.
Eine andre Frage ist die: Wie sollen eiserne Brücken geprüft werden? Wenn die Brücke fertig dasteht, ist eine Prüfung ihrer einzelnen Teile auf Festigkeit durch Biegung, Zerreißung und Zerdrückung nicht mehr möglich. Diese Prüfung muß vorher an Probestücken vorgenommen werden, uud man muß sich mit der Schlußfolgerung aus dem Verhalten der Probestücke begnügen. Ob das Eisen auch chemisch untersucht wird, und wäre es auch nur aus die schädlichen Beimengungen von Schwefel und Phosphor, oder ob man sich hinsichtlich der Güte des Eisens auf den Ruf und die Bürgschaft des Lieferanten verläßt, ist mir unbekannt; überflüssig wäre eine solche Untersuchung jedenfalls nicht. Allerdings würde sie für die quantitative Bestimmung jener schädlichen Bestandteile ziemlich umständlich und kostspielig sein; doch ließe sich eine Vereinfachnng herbeiführen dadurch, daß von den Probestücken mit der Feile kleine Proben genommen und diese zu einer Durchschnittsprobe ver-
Grenzboten III 1895 16