Der ewige Jude und der Teufel
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stellung, die letztere durchgeführt bis auf die Prosa und den Dialekt, hier Schacherjudendialekt. So begegnen wir denn der allegorischen Gestalt As- maveths (des Todes) und den apokalyptischen Reitern, den aus Felsgestein erstehenden Gestalten Moses und Elias neben den zahlreichen realistischen Figuren dieses dramatischen Gedichts. In dem Entwurf des Ganzen ist Phantasie und ein unverkennbarer Zug zur Größe, aber auch eine gewisse Stillosigkeit, die an die Produkte der jugendlichen Romantiker erinnert. Ahasver erscheint auf deu ersten Stationen seiner leidvollen Wanderung dargestellt, er erhebt im Getümmel der jüdischen Erhebung sich selbst zum Propheten und Messias seines Volks, opfert die eigne von einem Christen geliebte Tochter, löst sich aber unter der Wucht seiner Reue immer weiter von dem Gesetz, sür das er geeifert hat, und zerschmettert schließlich, als die Römer hereinbrechen und der Tempel des alten Bundes in Flammen aufgeht, die mosaischen Gesetzestafeln:
Erlösen willst du uns? Verdammen kannst du. Erretten du? Zerschmettern willst du uns. Und weit du denn uns nicht erlösen willst Noch kannst, du unbarmherziges Geseh, Weil du mein Volk betrogst und mich verdammst, Zerschmettr' ich dich hier ans dem Marmelstein. Zerfall in Staub! Dein Tempel auch in Staub! In Staub die Gottesstadt! In Staub dein Volk! In Staub auch ich! Auch ich des Todes Raub!
Da erscheint ihm eine himmlische Gestalt, die er zuerst für die Erscheinung des Jesus von Nazcireth hält, den er in all seinem wilden Haß und seinem falschen Prophetentnm nicht vergessen hat, die sich aber schließlich als der Geist der von Ahasver selbst ermordeten Tochter Esther erweist, der ihm verkündet, daß ihm vergeben sei, daß er aber wandern müsse, bis Christus zum tauseudjährigen Reiche wiederkehre. Die Wanderung des ewigen Juden, die in der ursprünglichen Legende eine Strafe ist, wird damit in eine lange dauernde, von der Hoffnung durchleuchtete Buße verwandelt.
Diesen Gedichten, durch die Satan und Ahasver hindurchschreiten, schließen sich einige andre an, die durch ihren Stoff und ihre BeHandlungsweise verwandt erscheinen. Da ist eine Vision Weltgericht von Viktor von Andrejanoff (Leipzig, C. G. Naumann, 1895), die mit einem Nietzschischen Motto aus: „Also sprach Zarathnstra" einsetzt und die Zeit als gekommen ansieht, wo die Erde dem Pöbel, der Gemeinheit, den Niedrigen, Verarmten gehört, und die großen Seelen, die sich besser dünken als die unzählige blöde Menschenherde, in hohe Einsamkeiten und Bergeswildniffe gescheucht sind. Das Weltgericht solgt auf den wüsten Rausch der allgemeinen Gleichheit, Berlin (die Riesenstadt, gelagert faul im Sande), das einst Kaiserkronen und Millionenschacherer gehegt hat, jetzt Prüsidentenbabel und Orpheum für bübische Archonten und Grenzboten III 1895 11