80
Der ewige Jude und der Teufel
Legende und Geschichte den Dichter ergreifen, und wiederum jede, die aus den Eindrücken des Lebens der Gegenwart und den Hypothesen der modernen Wissenschaft heraus die Phantasie eines Dichters erfüllen kann, kommt in Haushofers „Ewigem Juden" ebenso zu ihrem Recht und zum Wort, wie jede Form und jedes Metrum (auch hierin die Vergleichung mit dem zweiten Teil des Faust herausfordernd) innerhalb des 500 Seiten langen Gedichts zur Anwendung kommt. Haushofers Ahasver vertritt gleichsam ein versteinertes Menschentum und begleitet die Menschheitsgeschicke über die Zeiten der Völkerwanderung (im Mythus), des Mittelalters (in der Tragödie) und bis in die Gegenwart und in eine Zukunft (die der Dichter in der phantastischen Komödie zweitausend Jahre nach 1886 setzt), er steht noch an der Seite des letzten Menschen und wandelt als Schwarz im Nachspiel am Irrenhaus vorüber und in die Welt hinaus:
Für mich ist fraglich mir ein einzig Ding: Das Ewge — ist es ein geschaffner Ring? Ist es ein Strom, der stets der gleichen Quelle Entströmt und nie znr alten Stelle Zurückkehrt? Diese Frage treibt Sich stets in meinein alten Kopf umher — Ich fürchte, daß sie unentschieden bleibt.
Aus diesen Andeutungen allein kann der Leser entnehmen, daß Haushofers phantasievolles Werk ein allmähliches Einleben, Nachempfinden uud Erkennen fordert uud — verdient. Als der ergreifendste und in sich geschlossenste Teil der viel umfassenden Dichtung erscheint uns die in der Mitte stehende Tragödie des Alchemisten Ernst von Werth und seiner Pflegetochter Elfe. Die phantastische Komödie des Schlusses ist vielleicht geistreicher, jedenfalls beweglicher und blitzender, läßt aber keinen reinen Eindruck aufkommen. Die pessimistischen Prophezeiungen vom Ende der Erde und , der Menschheit klingen in verwandte Stimmungen des Tages hinein und lassen deutlich erkennen, wie es allmählich auch den Stärksten bei ihrer Gottähnlichkeit bange geworden ist. Das Gedicht hat nicht die geringste Aussicht auf einen Masfenerfolg, aber den vollsten Anspruch auf ernste Teilnahme und bleibende Anerkennung der wenigen, die die Größe und den Ernst seiner poetischen Absicht, den poetischen Reichtum seiner Einzelausführung zu schätzen vermögen. Das Erscheinen einer zweiten Auflage bezeugt, daß diese Teilnahme in engern Kreisen schon wirksam geworden ist.
Merkwürdig läßt sich das an dritter Stelle genannte Mysterium Ahasver von Johannes Lepsius an. Es spielt zur Zeit des jüdischen Aufstands und der Eroberung Jerusalems, also noch nicht vierzig Jahre nach der Kreuzigung Christi, und mischt in höchst eigentümlicher Weise die Elemente des alten allegorischen Mysteriums, und einer modernen, ganz naturalistischen Dar-