Johanna von Bismarck
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geht niemals ganz in seinem Berufe auf; er bedarf daneben auch eine behagliche und geschmückte Häuslichkeit, er will auch Vater und Gatte bleiben, und aus dem Frieden des Hauses schöpft er die beste Kraft auch für sein Amt. Und wohl uns, daß die drei großen Männer, die mit Kaiser Wilhelm I. unser Reich geschaffen haben, Bismarck, Moltle und Roou, in ihrem Hause das gefunden haben, was ihnen die Seele erleuchtete, das Herz erwärmte und sie stählte gegen die zahllosen Widerwärtigkeiten der Außenwelt, und daß wir nicht nötig haben, bei ihnen zu unterscheiden zwischen dem öffentlichen Charakter und dem Menschen und die Angen zu schließen vor dem zweiten, um den ersten groß zu finden. Und dafür gebührt den nun sämtlich abgeschiednen Frauen dieser Männer unser dankbares Andenken.
Doch größeres als Marie von Burt, die früh verstorbne Gattin Moltkes, und Anna Rogge, die Gräfin Roon, hat Johanna von Puttkamer erlebt und geleistet. Als sie dem Deichhauptmann und Abgeordneten zum Provinzial- landtage in Merseburg und zum Vereinigten Landtage in Berlin 1847 die Hand fürs Leben reichte, da kannte außerhalb des nächsten Kreises kaum jemand den Namen Bismarck, und wo man ihn kannte, galt er als reaktionärer Junker. Dann kamen die stürmischen Jahre 1848 fg., später die Zeit der Gesandtschaften in Frankfurt a. M., Petersburg und Paris, wo der Abgeordnete zum nationalen Staatsmann reifte, weiter die Periode der schwersten Kämpfe, der großartigsten Erfolge und einer unermeßlichen Popularität, endlich die Tage des unfreiwilligen Ruhestandes. Zweimal sah sie in dieser Zeit den Gatten mit ins Feld ziehen, hinaus in Kämpfe und Gefahren, die alles schon Errungene aufs Spiel setzen mußten und nicht am wenigsten Leben und Ehre des geliebten Mannes; zweimal mußte sie erleben, daß Buben die Mordwaffe gegen sein teures Haupt erhoben. Von der schlichten Edclfrau wurde sie zur Fürstin und zu einer der vornehmsten Damen des Reichs. Aber sie blieb immer, was sie ihrem Wesen nach war. Die Zeiten des größten Glanzes waren ihr nicht die schönsten; die Frankfurter Jahre, die Jahre rüstiger Jugendkraft, der heranwachsenden Kinder und eines immer noch bescheidnen Daseins bezeichnete sie als die glücklichsten. Was den Gatten betraf, berührte sie ganz wie ihn selber, zuweilen vielleicht noch mehr, denn sie urteilte mit dem Herzen; die Märztage des Jahres 1890 fühlte sie tief leidenschaftlich nach, sie wollte Berlin seitdem nicht mehr sehen und hat es nicht wieder betreten. Aber der Triumphzng im Sommer 1892 ^ar auch für ihre Empfindung wie Heller Sonnenschein und eine Entschädigung für manche bittere Stunde. Sie war gar nicht politisch angelegt, aber sie hatte einen scharfen Blick für Menschen, und sie verstand jedes Wort und jede Empfindung des Fürsten; mit feinstem Takt wußte sie ihn dort zu besänftigen und abzulenken, hier anzuregen und weitcrzulciten. Ehrlich und gerade, fest und gütig, schlicht und einfach, ernst und launig, gab sie jedem, auch wer ihr Haus als ei» Fremder betrat, sofort das Gefühl, daß er willkommen sei uud
Grenzboten IV 1894 60