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Verse macht als ihr vergötterter Pereival, für den Vernichter, den Totschläger, den Mörder ihres Bruders. „Mochte Pereival lachen können, daß es so war, sie konnte es nicht. Ihr war, als sähe sie ihn daliegen an der Erde, im Staube, gebrochen und besiegt — das Leid, das er gar nicht zu empfinde» schien, wühlte wie Gift und Tod in ihrer Seele. Und wenn es nun einmal nicht zu ändern war, daß dieser andre auf der Welt war, dann mußte es wenigstens wirklich ein Riese sein, wirklich ein majestätischer Mann; nur einem solchen durfte ihr Bruder erliegen, dann war es wenigstens ein großer, ein adlicher Untergang. Und nun — jetzt eben — dieser Anblick— dieser Mensch — diese Enttäuschung! Solch ein kleiner, häßlicher, unbedeutender Kerl — vor dem hatte ihre stolze Seele gekniet? Solch ein Wurzelmauu sollte es sein, der ihren Bruder, ihren Heißsporn, ihren schönen, strahlenden Percy unterkriegte? Nein, nein, nein! Das war nicht möglich, war wider die Natnr, das konnte, sollte, dürfte nicht sein! Ein geradezu verzweifelter Haß stand in ihr auf, und der Haß war vergiftet, deun der Abscheu mischte sich hinein. Nicht ein Riese wars, der ihren Bruder darniederstreckte, ein Insekt wars, das an ihm herauskroch uud ihn stach. Ja — ein Insekt! Denn wie ein Käfer, der seine kurzen Beine strampelnd durcheinanderwirft, so hatte er ja ausgesehen, als er bei ihr borüberging, unter der dicken Schale seines dicken Wintcrüberziehers."
Unter solchen Umstünden fehlt bloß noch, daß sich der kleine dichtende Referendar in die böse schöne Freda verliebt, was er auf der Stelle thut, und daß sie mit ihrem Haß in ihrem eigenen, bisher von ihr beherrschten Hause allein bleibt, wofür Vater und Bruder gleichfalls sorgen. Der brave Regierungsrat Nöhring, dessen Jugend in die Periode der Nomantik gefallen ist, hat gleichfalls nach der blauen Blume getrachtet, aber die ersehnte Bedeutung als Dichter nicht erreichen können, in seiner neidlosen Seele hat jetzt nur die Empfindung Raum, daß da einer sei, der alles könne, was er selbst, Papa Nöhring, so gern gewollt uud nur zufällig nicht gekonnt habe. Er liebt Schottenbauer wie seiuen Sohn, nachdem dieser das erste seiner Trauerspiele in Nöhriugs Hause vorgelesen hat. Und vollends Pereival schmollirt ganz fröhlich mit seinem Nebenbuhler; mag der den Lorbeer davontragen, er will das Assessorexamen machen, Anstellung bekommen und Thercse Wcillnow, seine Herzensdame, heiraten. So steht Freda in dem Kampfe wider den kleinen großen Schottenbauer allein, aber sie nimmt den Kampf entschlossen auf, sobald sie weiß, daß der Dichter in sie verliebt ist und nach ihrem Besitz schmachtet.
Dieses gedaukentrotzige Mädchen, das sich nicht giebt, sondern bezwungen sein will, scheint ihm die Natur, die er braucht. Und da dieser Kampf noch im ersten Drittel des Romans beginnt uud sich bis zum Schluß hinzieht, so dienen eigentlich sämtliche Episoden des Romans dazu, das leidenschaftliche Widerstreben Fredas und die stille Tapferkeit des verliebten dramatischen