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Malergeschichten aus Mignons Skizzenbuche : 2. Der Ulmer Meyer
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Malergeschichten

ist, das Weiß jeder. Wo's einen Handel giebt mit Schlägen oder Messern, da warten sie auf den Ansgang, und dann kommen sie aus dem Mauerwinkel gekrochen und stellen den Thatbestand scst.

Er drängte sich an die Brüstung, von wo man tief unten einen Teil des Weges, der an der Jsar hinführt, überblickt, und dn ging ein tröstliches Leuchten über sein Gesicht. Unten im Schatten des juugen Laubes saßen beide, der Arm des Gesetzes und sein Opfer, und teilten sich das Käsebrot.

Jetzt warten Sie nur, bis es dunkel wird, sagte der Ulmer Meyer. Dann kommen sie wieder heraus, der eine über den gegrabnen Stiegen, der andre auf dem Schlangenweg, und wer auf dem Nachhausewege den andern stützen muß, das werden sie nicht weitersagen.

Ja, der Heimweg war dunkel, das dachte der Privatier Nudelmeyer auch. Er hängte sich seine Nest an den Arm und tappte vorwärts auf der Straße, die sich kaum von den angrenzenden Feldern abhob, während die Sterne schadenfroh glitzerten, ohne Helle zu spenden. Ihm hatte die Lehre von der Umdrehung der Erde um die eigue Achse, deren er sich aus Schulzeiten er­innerte, plötzlich einen so drohenden Wirklichkeitsschein gewonnen, daß es ihn sicherer dünkte, sein Kleinod unter den eignen Schutz zu nehmen.

Der schöne Ferdinand ging wehmütig hinterdrein. Er hatte meinem Freunde den Arm gegeben. Diesen Weg durch die Felder kenne er gut, meinte er, und wolle dem Meyer helfen die Vaumwnrzeln und Steine vermeiden. Mir schien es aber, als wollte er sich an dem sittlichen Bewußtsein, jemand zu stützen, selber aufrichten. Er phantasirte still vor sich hin von den gefährlichen, schroffen Ufern und der reißende» Jsar, deren schnelles Wasser er zu hören meinte, wenn Fräulein Nudelmeyer vor ihm in ihrem Seidenmäntelchen eine raschelnde Bewegung machte.

Da, wo man durch den Wald geht, an dem einsamen Turm, blieb er stehen. Was ist das? fragte er den Meyer.

Ein Obelisk! sagte der. Da ging der schöne Ferdinand nicht mehr von der Stelle. Wir mußten ihn seinem Schicksal überlassen, denn nuu meinte er in München am Karolinenplatz zu sein und wollte durchaus auf die Pferde­bahn warten, die dort vorüberfährt.

Ob er im einsamen Wald so gut geschlafen hat wie ich unter meiner Decke imDeutschen Kaiser," weiß ich nicht. Als ich aufwachte, war es spät am Morgen, und ich sagte mir, daß der Mittagszng nicht ans mich warten würde. Darum erschreckte es mich, als ich au meinem Kleiderhalter den kleinen Hut des Ulmer Meyer fand und den meinigen vermißte. Ach, und wie langsam dauu die Droschke fuhr, mit der ich in die Felder der Georgeustraße hinausstrebte!

Heute schob ich die Arnikcchexe, die mich leiten wollte, kurzer Hand zur Seite und öffnete mir selbst den Eingang zum Atelier. Ich war iu Eile und hatte nicht die Absicht, mich durch irgend etwas aufhalten zn lassen. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn schon auf der Schwelle versteinerte ich fast. Da stand einer im Hemd, wie er aus dem Bett ge­sprungen war, an der Staffelei. Knochige Bein.e ragten unter dem dürftigen Gewand hervor, und große, nackte Füße waren in das langhaarige Fell am Boden eingewühlt.

Er drehte sich langsam gegen die geöffnete Thür nnd wendete mir mit wirrem Bart »nd Haar ein übernächtiges Haupt zu, um dessen Stirn die