Der Apoll vom Belvedere
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Sammlung Grvan). Diese Haltung ist aber im vorliegenden Falle unmöglich, denn es ist ohne weiteres Aar, daß sich bei solcher Haltung des Zweigest die Blätterendeu nicht am Stamm befinden können. Die dritte Art ist ganz selten; mir ist,von Skulpturen nur die Berliner Apollostatue Nr. 51 bekannt (ans diese verweist auch Furtwängler, der sich also den vatikanischen Apollo in dieser Weise ergänzt denkt), wo allerdings der Gott den Zweig so hält, daß der von den Fingern gehaltene Blattstiel nach oben, die Blätter nach unten stehen und bis zum stützenden Baumstamm herüberreichen; zwar ist auch an dieser Figur die rechte Hand mit dem Büschel ergänzt und nur die Blätter am Stamme, antik, doch trifft die Ergänzung wohl das richtige. Aber vergleicht man diesen Berliner Apollo mit dem belvederischen, so sieht man, daß er ihm nur scheinbar ahnlich ist. Denn beim Berliner ist der rechte Unterarm viel stärker gesenkt als beim belvederischen, sodaß sich die Finger »och gerade senkrecht oberhalb des Stammes befinden, der Zweig braucht daher nur wenig einwärts geneigt zu werden, um mit den Blattenden den Stamm zn berühren. Am vatikanischen aber ragt, bei der gegenwärtigen Ergänzung, die rechte Hand von der Wurzel ab über den Baumstamm hinaus, und wenn es richtig ist (nach Petersen uud Helbig), daß der rechte Unterarm ursprünglich um fünf Centimcter weiter vorwärts lag, sogar noch etwas mehr; wie will man denn unter diesen Umständen die Verbindung zwischen dem Zweig und den Blattresten am Stamme herstellen, wenn man nicht das Lorbeerbüschel dem Apollo etwa wie einen Staubwedel in die Finger geben will? Und auch die am Stamm sichtbaren Knoten der Wollbinden lassen sich nicht so ohne weiteres als die am Lorbeerzweig befestigten Stemmata erklären, denn wo wir dergleichen auf antiken Denkmälern mit Zweigen verbunden sehen, hängen sie daran herunter, und auch hier müßten sie, selbst wenn der Gott den Zweig ganz schräg nach innen auf den Stamm hin hielte, senkrecht herunterfallen, könnten aber unmöglich am Stamm anliegen. Bei allen diesen Bedenken ist es sicherlich viel einfacher anzunehmen, daß die Lorbeerblätter zum Stamm selbst, gleichsam ans diesem sprießend, die Reste der Wollbinden aber zur apollinischen Verzierung des Stammes gehörten, deren ursprüngliche Form und Anordnung durch den Bruch des Stammes zerstört ist, da dieser Bruch (wch Jahns Angaben) etwas oberhalb des Schlaugenkopfes nach links hin durch das Lorbeerbüschel hindurchgeht. Daß Binden au Bäumen nicht selten sind, ist ja bekannt; ich verweise auf Böttichers Baumkultus der Hellenen (Berlin 1857), wo man Seite 39 ff. Beispiele genug dafür findet.
Ich betrachte es nach dem Gesagten als durchaus uuerwiesen, daß der Gott in der rechten Hand einen Lorbeerzweig getragen habe; und ich halte es auch an uud für sich für unwahrscheinlich, weil mir die ganze Stellung uud Haltung des Gottes nicht minder als sein Gesichtsausdruck für dies friedliche Attribut eines sühnenden Apollo gänzlich ungeeignet erscheint. Ob er über-