Beitrag 
Verlorne Kräfte
Seite
351
Einzelbild herunterladen
 

Verlorne Rräfre

Ankömmlinge nur um so erbitterter. Alle nur deutbaren Gehässigkeiten und Verleumdungen werden gegen die Einwandrer und vor allem gegen die deutscheu geschleudert. Man wirft ihnen vor, sie verfolgten Sonderbestrebuugen und grün­deten einen Staat im Staate, sie wollten sich den Einrichtungen des Landes nicht unterordnen, hätten vor demamerikanischen Sabbath" keine Achtung. Man verargt es den Deutschen, daß sie am Sonntag Nachmittag in der freien Natur Erholung sucheu und sich ihren harmlosen Vergnügungen hingeben, statt, wie dieechten Amerikaner," den Tag des Herrn in den Kirchen oder doch wenigstens zn Hause zu verbringen. Daß die Verfassung des Landes Ge­wissensfreiheit verbürgt und die Forderungen keiner einzigen Religionsgemein­schaft oder Kirchengemeinde anerkennt, wenn sie auch die freie Ausübung keiner Religion verbietet, davon wollen die Knownvthings nichts wissen. Man klagt feruer den Deutscheu au, er bedieue sich einer besondern Sprache und verhalte sich der englischen Landessprache gegenüber ablehnend. Daß er seine Kinder neben der englischen auch iu der Sprache unterweist, die ihm selbst einst an der Wiege entgegenklang, nnd daß sich gerade die Kinder der Deutscheu iu deu Schulen durch Fleiß uud durch Kenntnisse auch iu der englischen Sprache auszeichnen, das wird totgeschwiegen. Wenn aber alles andre nicht Versaugen will, dann kommt schließlich die Behauptung, der Deutsche sei und bleibe ein politisch unreifer Mensch, der im Grunde doch nur die Interessen Deutsch­lands vertrete und von den Einrichtungen seiner neuen Heimat nichts wissen wolle.

Schon Karl Schnrz hat diesen schweren Vorwurf, als er ihm im Jahre 1870 bei Gelegenheit einer Debatte im Bundessenat gemacht wurde, wo Schurz für strengste Beobachtung der Neutralität sprach, mit deu trefflichen Worten zurückgewiesen, er bekenne mit Stolz, daß er noch Achtung und Liebe für Deutschland hege, aber deshalb sei er sich seiner Pflichten Amerika gegenüber doch vollkommen bewußt; denn, fügte er hinzu,wer seine Mutter uicht ehrt und liebt, kann auch das selbstgewählte Weib nicht achten und lieben." Die ganze Ungerechtigeit des Vorwurfs zeigt schon ein Blick auf die Geschichte der Ver­einigten Staaten. Ohne das loyale Eingreifen der deutschen Einwandrer Hütte sich das Schicksal des Landes ganz anders gestaltet; ohne ihre Hilfe Hütte weder Lincoln im Jahre 1860 zum Präsideuten gewühlt, noch der blutige Bürgerkrieg zn Gunsten des Nordens entschieden werden können.

Der Zensus weist nach, daß sich die Bevölkerung der Vereinigten Staaten im Jahre 1860 auf 31189744 Seelen belicf, von denen 22313997 in deu Nord- uud Weststaaten und 8869747 in deu Südstaaten zu finden waren. Von ihnen waren 4099152 im Auslande geboren, davon wieder 1262269 in Deutschland. Von deu Eiugewanderten lebteu nur 216730 in den Südstaate», wo sie also keine 2,5 Prozent der Bevölkerung ausmachten, während der Nest von 3882322 Seelen 17,5 Prozent der Bevölkerung der Nord- uud Westaateu