Rußland in Persien
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daran, Teheran mit der eben vollendeten transkaspischen Bahn zu verbinden, um so dein russischen Einfluß einen Zugang zu öffnen und den Erfolg der Engländer zu durchkreuzen.
Schon im Mai 1889 wurde gemeldet, und die russischen Zeitungen bestätigten es später auch, daß es der russischen Staatskunst gelungen sei, große Erfolge zu erringen. Sämtliche wegen des Eisenbahn- und Straßenbaues au die Teheraner Regierung gerichteten Forderungen waren vom Schah angenommen worden. Darnach mußte sich die persische Negierung verpflichten, alle mit Ausländern wegen der Eisenbahnbauten in Persieu angeknüpften Verhandlungen vor der endgültigen Bestätigung dem Petersburger Ministerium des Äußern mitzuteilen. Stellt es sich heraus, daß Russen die zwischen der persischen Negierung und den Ausländern vereinbarten Eisenbahnbanten übernehmen wollen, so ist einem russischen Unternehmer der Vorzug vor allen andern zu gewähren. Zu dieser Anzeige ist die persische Regierung fünf Jahre lang verpflichtet. Außerdem verspricht Persien innerhalb zweier Jahre Fahrstraßen von Ardebil nach Astara (Transkaukasien) und von Rescht am Kaspischen Meere nach Teheran zu bauen, sowie den auf ihn fallenden Teil der Straße, die von Chorasfan nach Askabad (an der transkaspischen Bahn) führt, zu vollenden. Endlich eröffnet es die Murdabbucht, die zwischen Enseli und Rescht am Kaspischen Meere liegt, der russischen Schiffahrt.
Diese Zugeständnisse, die der Schah der russischen Negieruug machen mußte, sind die unmittelbare Folge der transkaspischen Eisenbahn. Rußland drückt jetzt auf Persien von zwei Seiten her, einmal vom Kaukasus aus, der mit einer ganzen Kette von starken russischen Garnisonen umgeben ist, und dann von der transkaspischen Bahn aus. Dieser Druck wird noch viel stärker werden, wenn erst die Wladikawkas-Kaulasusbahn vollendet ist. Diese Bahn wird nicht nur die Kaukasusgebiete unter sich verbinden, sondern auch die engere Verbindung dieser weiten Strecken mit dem Innern des europäischen Rußlands und mit Persien vorbereiten.
Aber schon jetzt ist der Schah sast ganz und gar in der Hand der Russen. Die Russen sind auch die einzigen, die bei Unruhen in Persien sofort eingreifen können. Und Unruhen drohen in Persien immerfort auszubrechen, uud zwar geht die Anregung dazu von der Priesterschaft aus. Die Priesterschaft ist von Naßr-ed-din immer sehr kurz gehalten worden. Sie sucht sich nun dadurch au ihm zu röchen, daß sie seit einiger Zeit mahdistische Lehren predigt. Sie verkündet die Ankunft des „zwölften Jmcnn," der die Ungläubigen von der Erde vertilgen werde. Schon Ende des Jahres 1892 erklärte sie, dieser Mahdi uud Netter sei in dem heiligen Wallfahrtsorte der Schiiten in Ker- belah bei Bagdad erschienen. Wie drohend dieser Aufstand war, wird daraus hervorgehen, daß in den Moscheen schon das Gebet für den Schah unterlassen wurde. Die Priesterschaft hat nämlich bei den Schiiten, zu denen bekanntlich