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Neue Ziele, neue Wege : 1. Die Grundlagen unsers Staates
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Unterthanen von Majestäten und Hoheiten. Der erste, der das Volkstmn wieder aufweckte, war Joseph II.; durch das Übermaß seiner unsinnigen Uniformirungs- wut, die keinen Rest von Volkssprache und nationaler Eigentümlichkeit mehr dulden wollte, machte er das scheintote Tschechentnm, das Magyarentum, das katholische Volkstmn der Niederländer wieder lebendig. In allen Winkeln der habslmrgischen Monarchie erinnerten sich alle Volksreste ihrer historischeu Rechte und machten sie geltendbis ans Karl den Großen zurück," wie Josephs Nachfolger, Leopold von Toskana, klagte, der zwar in demselben liberal-abso­lutistischen Gedankenkreise aufgewachsen war wie sein Bruder, aber vou dessen Eigensinn frei war und seine Überstürzungen verwünschte.

Dann kam die französische Revolution und erweckte alle Völker Europas zu neuem Leben. Die Franzosen stellten, zum erstenmale in der Weltgeschichte, der Politik die ungeheure Aufgabe, iu Staateu von vielen Millionen Menschen eine Verfassung durchzuführen, die bis dahin nur in Gemeinwesen von wenigen tausend, höchstens von einigen hunderttausend Bewohnern für möglich gehalten worden war. Daß sich die französischen Staatsmänner geirrt haben, indem sie ihre neue Verfasfung für etwas altes, für englisch hielten, wird heute all­gemein anerkannt. Allein der irrigen Auffassung lag immerhin eine Wahrheit zu Grunde. Eiu Hauch der Freiheit ging in der That von England aus, sobald die Geister des Festlandes mit ihm in Berührung kamen. Nur bestaud die englische Freiheit nicht in der Teilnahme des Volkes an der Gesetzgebung gerade iu der großen Zeit des englischen Parlaments war es vollständig davon ausgeschlossen, sondern in der Abwesenheit bürokratischer Bevor­mundung und polizeilicher Beaufsichtigung und in der Fortdauer von Ge­wohnheiten kommunaler und genvsfenschaftlicher Selbstregierung, die wieder aufblühte, sobald sich das Volk aus seiner vorübergehenden Ohnmacht erholte, ferner in der Weite des Spielraums, der jedem unternehmenden Geiste in einem großartigen Kolonialbesitz offen stand. Die festländischen Konstitutionen aber waren kein englisches Gewächs; umgekehrt haben die Engländer in diesem Jahrhundert angefangen, durch stete Erweiterung der Wahlberechtigung ihre Verfassung den festländischen Konstitutionen ähnlich zu macheu und sich da­durch in die Schwierigkeiten zu verwickeln, die diesen anhaften. Der Abscheu der Tories vor Homerule wurzelt in der klaren Erkenntnis, daß diese Maß­regel einer der entscheidensten Schritte in dem Prozesse sein würde, der all­mählich alle Privilegien aufhebt. Sie würde das Privilegium der den irischen Boden beherrschenden englischen Minderheit beseitigen, und hinter ihr sehen die Lords auftauchen: die Aufhebung der wallisischeu, der schottischen, znletzt der englischen Staatskirche und zu allerletzt: die Verstaatlichung des Grund und Bodens von England, dessen größter Teil einigen hundert Familien gehört.

So wenig befriedigend nun auch bisher die von der französischen Revo-