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Die Landarbeiterfrage
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Die Landarbeiterfrage

auf Gesetz und Recht, nicht auf Lmidessitte und Herkommen, nicht ans dem Volkswillen. Bildeten solche edle Persönlichkeiten die Mehrheit im ostelbischen Adel, dnnn hätte die Arbeiterfrage, wenn sie überhaupt existirte, keinen solchen Umfang angenommen, und würde» Krisen, die ans Umwälzungen des Be­triebs entstünden, leicht überwunden.

Das Hauptergebnis der Beratungen des Vereins für Sozialpolitik fällt einerseits mit dem Ergebnis des zweiten Tages, wo über Bodenverteilung und Sicherung des Kleingrundbesitzes beraten wurde, und mit dem im vorigen Vierteljahr in den Grenzboten (von S. 244 ab) besprochene» Kolonisations­plane Serings zusammen, andrerseits mit den Vorschlügen des Freiherrn v. d. Goltz, nur daß diese noch umfassender siud. (Sie machen den vierten und letzten Teil seines Buches ans.) Er bedauert es als einen schweren Fehler, daß mau seinerzeit die nicht spannfähigen Güter von der Regnlirung ausgeschlossen habe, anstatt durch ihre Einbeziehung der Entstehung eines pro­letarischen Arbeiterstandes vorzubeugen, und meint, der Staat müsse in seinem eignen Interesse den damals begangnen Fehler dadurch wieder gut machen, daß er das Gesetz vom 27. Juni 1890 über Nentengüter auch auf ansiedlungs- fähige und bereite Landarbeiter anwende und die Wohlthaten des Ergänzungs­gesetzes vom 7. Juni 1891betreffend die Beförderung der Errichtung von Rentengütern" auch solchen kleinen Ansiedlungen zukommen lasse. Das erste geschieht nach der bisherigen Praxis nur ausnahmsweise, und das zweite ist durchs Gesetz ausgeschlossen; ein Gutsherr kann zwar Arbeiter ansiedeln, aber die Nentenbank gewährt ihm kein Darlehen zur Errichtung der Gebäude. Es dürfen aber, meint v. d. Goltz in Übereinstimmung mit Gering, keine Ar­beiterkolonien gegründet werden, weil diese unfehlbar Diebskolonien werden und die Kolonisten darin jeder wirtschaftlichen Förderung und der Aussicht auf allmähliches Emporsteige» entbehren, sondern die Arbeiterstellen müßten in Bauerndörfer eingestreut werden, die freilich erst noch wiederum mit Hilfe der beiden Gesetze zu schaffen wären. Boden dazu, meinen beide Sachkundigen, sei genug vorhanden auf den unbenutzten und unter den jetzt obwaltenden Umständen unbenutzbaren Außenschlägen großer Güter. Die Arbeiterwirtschaften dürften nicht mehr als 2^ Morgen umfassen, weil, wenn eine Stelle ihren Besitzer vollständig ernährt, dieser nicht mehr Lust hat, für Tagelohn zu ar­beiten, aber dafür werde dem Arbeiter die Hoffnung blühen, emporsteigen zu können, weil ja die geplante Ansiedlung eine Stufenleiter kleinster, kleiner und mittlerer Güter herstellen solle. Durch zwei andre Dinge solle dem Ansiedler der Fortschritt noch erleichtert werden, einmal durch die Eingliederung ins Gemeindeleben, die mit der geplanten Dorfanlage durch die neue Landgemeinde­ordnung von selbst gegeben sei. Dadurch werde das Selbstbewußtsein, die Energie, die sittliche Haltung des Mannes gehoben u»d nehme er an der wachsenden Einsicht der Gemeinde in die Bedingungen einer rationellen Wirt-