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Manöverbetrachtungen eines Beteiligten
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98 Manöverbetrachtungen eines Beteiligten

der Garnison (Halle). Während des Regiments- nnd Vrigadeexerzierens lagen wir in nächster Nähe von Sondershausen, aus dessen malerischer Umgebung der Possen hervorzuheben ist, der höchste Punkt der Hainleite. Ein stattlicher Aussichtsturm (150 Fuß hoch) nahe bei dem fürstlichen Jagdschlösse eröffnet vor allem den Blick weithin in ein wogendes Meer der herrlichsten Vuchen- wipfel. Die Thüringer Seite der Fernsicht war leider verschleiert, als ich oben war; desto klarer lagen die Harzberge vor unsern Augen. Von der fürstlichen Residenzstadt Sondershausen selbst weiß ich nichts Bemerkenswertes zu erwähnen, außer den Lohkonzerten. Sie sind ja dem Namen nach weltbekannt, diese für jedermann unentgeltlich zugänglichen Konzerte der fürstlichen Hofkapelle. Ich gestehe, daß ich mit einigem Mißtrauen hinging. Der Leipziger, durch das Gewandhaus verwöhnt, ist in musikalischer Beziehung anspruchsvoll und sagen wir es nur gerade heraus hochmütig. Allein ich war geradezu entzückt, nicht so sehr von der Musik an sich, obwohl ich sie nicht tadeln möchte, wie von dem Gesamteindruck der Aufführung. Man denke sich einen prachtvoll gehaltncn Schloßpark. Nach allen Seiten sichren saubere Kieswege zwischen den uralten Banmriesen hin. Aus der Höhe grüßt das fürstliche Schloß. Mitten in dem Loh so heißt der Park ist ein viereckiger Platz freigelassen nnd mit Stühlen und Bänken besetzt. Vor dem Platze steht die muschelförmige Musikhalle. Die Wände des Konzertraums rechts und links und hinten sind gebildet durch Reihen hochanfragender Bäume. Man spielte die Eroika. Ich habe sie schon manchmal gehört in meinem Leben, diese mächtige Shmphonieznm Gedächtnis eines Helden," vielleicht in Kleinigkeiten auch schon technisch vollendeter. Aber sie wirkte doch ganz eigentümlich in dieser Umgebung. Der erschütternde Trauermarsch mit seinem düstern Omoll vereinigte sich mit dem geheimnisvoll auf- und abschwellende« Rauschen der mächtigen Eichen zu wundersamen Klängen, nnd selbst das Knacken der fallenden Kastanien verstärkte nur den Eindruck herzergreifender Klage über die Vergäng­lichkeit alles Irdischen. Und dann wieder das eigentiimlich hastende Scherzo, begleitet von den schwirrenden Stimmen der Schwalben, die in dichten Zügen über den Platz hinsegelten ein solches Zusammenwirken von Kunst- und Naturmusik bot mir einen völlig neuen Reiz, dem ich mich mit ganzem Herzen hingab! Aber nach der Eroika ging ich heim. Das weitere Programm war nicht darnach angethan, den empfangnen Eindruck zu vertiefen, nnd verderben lassen wollte ich ihn niir nicht.

Doch nun zum Militärischen. Mehr als sonst siel mir die lebhafte Teil­nahme auf, mit der das Publikum die soldatische» Exerzitien verfolgte. Schon zum Regimentsexerzieren strömten Mengen von Zuschauern zu Fuß, zu Pferd uud zu Wagen herbei, und in den letzten Tagen steigerte sich der Zulauf, zumal in den Biwaks, in fast beängstigender Weise. Das war ganz gewiß nicht bloß müßige Nengier und kindliche Freude au den wechselvollen Bildern des Ma-