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Litteratur
Schlimme nn der Sache, Pfvtenhauer wird seinen Zweck nicht erreichen. Zunächst ist es schon eine wunderliche Einbildn»»., daß durch eine wahrhaftige Schildern»«, von katholischen Missionen früherer Jahrhunderte die protestantischen Missionen gerechtfertigt werden könnte». Die Jesuiten von Paraguay mögen leibhaftige Teufel gewesen sein, das nützt den protestantischen Missionaren in Deutschostafrika gnr nichts; nnr dnrch ihre eignen Erfolge können diese ihre Ankläger beschämen. Sodann: hätte Pfotenhauer einfach die Thatsachen reden lassen, so würden eifrig protestantische Leser die Folgerungen, die er daraus ableitet, schou selber gezogen haben. Indem er jedoch diese Folgerungen nicht allein ausspricht, souderu sie überall als zu beweisende Thesen cm die Spitze stellt n»d die Thatsachen lediglich als Beweismittel behandelt, berechtigt er die Gegner, die Zuverlässigkeit dieser Thatsachen anzuzweifeln oder weuigsteus ihre Gruppiruug zu beanstanden. Unter den konfessionell Unparteiischen aber — und die bilden, wo von Kolonialangelegcnheiten die Rede ist, die Mehrzahl — dem Missionswerke Freunde zn machen, ist sein Buch wenig geeignet. Daß das Christentum der Jesuiten nicht das Christentum des Neuen Testaments, daß die Frömmigkeit ihrer Bekehrte» nnr Lippeuwerk und Zeremonienwescn ist, daß sie gar uicht daran denken, ihre Bekehrten zn sittlich freien selbständigen Persönlichkeiten zu erziehen, uud daß sie die Arbeitsleistuugeu ihrer Untergebnen für sich nnd ihren Orden anSbenten, das alles versteht sich ganz von selbst, u»d keiner von uns zweifelt daran. Aber je öfter diese ganz natürlichen Erscheinungen zu eiuer Anklage gegeu die Jesuiten gestempelt werdeu, desto mehr drängen sich den Unparteiischen die Fragen auf: wo ist deun nun das neu- testamentliche Christentum, bei welcher der hundert Sekten und Parteien, die es einander abstreiten? Wo sind denn die Missionare, die ein Heidenvolk einzig und allein mit dem „Gnadeumittel des Wortes und dem Bade der Wiedergeburt im heiligen Geiste" (III, 16) zn diesem echten Christentum bekehrt hätten? (Hätte nicht Karl der Große die Sachsen mit dem Schwerte bekehrt, so gäbe eS heute iu Gütersloh keine christliche 'Buchhandlung; alle Völker des Nordens, mit alleiniger Ausnahme der Jrlcinder, nnd zum großen Teil auch schon die Bewohner des römischen Reichs sind auf gewaltthätige Weise und meistens nur äußerlich zu Christen gemacht worden.) Wo in aller Welt wohnt denn ein bekehrtes Volk gelber, branner oder schwarzer Menschen, das auS lauter sittlich freien selbständigen Persönlichkeiten bestände? Und wo giebt es bekehrte Heiden, die nicht von ihren christlichen Bekehrern ausgebeutet würden? „Missionar? — sagte der Zulnhäupt- ling Kctschwaho auf die Ankündigung eines solchen — Missionar wäre schon schön; aber nach Missionar kommt Kaufmann, nach Kanfmann kommt General." Wäre ausgemacht worden, daß „Seelenrettung" (III, 17) der einzige Zweck aller Missions- thätigkeit sein und bleiben müsse, die Engländer hätten keine hundert Pfund für ihre Missionen ausgegeben.
Und weun Pfotenhaner die Thätigkeit der Jesuiten immer und immer wieder zu der der Apostel in Gegensatz stellt, so muß man doch fragen: hätte denn das Neue Testament in Südamerika entstehen können? konnte es irgendwo anders entstehen als in dieser griechisch-römisch-jüdischen Welt, die alle seine Ideen längst besaß, nur nicht in dieser Grnppirnng uud ohne die' Person Jesu? Sind die Apostel anderswo dankbar als ans dem Schauplatze ihrer Wirksamkeit? Konnte Panlns den Römer- nnd den Galaterbrief an Kannibalen, konnte er sie auch nur an deutsche Bierphilister schreiben? Hätte er sich Wohl Rat gewußt, wenn ihn das Schicksal zu den Gunrauis verschlagen hätte, Geschöpfen, wie es im ganzen Umkreise des römischen Reichs keine gab? Wir bekennen uns zu der kel'.erischen An-