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Das Börseuspiel und die Gerichtspraxis
Händlers einen Kunden aufgefordert, in Roggen zu spckuliren. Er solle mit der ganzen Sache dabei nichts zu thun haben, bekomme die Ware nicht zu sehen, habe nichts zu liefern, nur die Differenz zn zahlen; worauf dann der Angegangne erwiderte: Meinetwegeu, ob ich da oder dort spiele, ist mir gleich- giltig. Das Reichsgericht beurteilte diesen Fall dahin: es sei nur behauptet worden, daß der Kunde über die wirtschaftliche Folge des Geschäftes und über die Art der Abwicklung solcher Geschäfte an der Börse aufgeklärt worden uud seine Absicht, zn spielen, knnd gegeben habe, dagegen nicht, daß auch der Agent dieselbe Absicht knnd gegeben habe. Für den gebildeten Laien sind solche Entscheidungen der Gerichte schwer begreiflich.
Wie man unn auch über diese Richtung der Praxis und die iu ihr herrschend gewvrdne Nichtbeachtung der bei solchen Zeitgeschäften auf ein Spiel hinweisenden Umstände denken mag, so kann doch zu den sonstigen Umständen noch ein weiterer hinzutreten, der gewissermaßen dem Faß den Boden ausschlägt, und der, wo er vorliegt, an der Natur eines solchen Geschäfts als eines bloßen Spielgeschäftes keinen Zweifel läßt.
Es werden nämlich Zeitgeschäfte au der Börse nicht immer etwa nur in dem Umfange abgeschlossen, daß der Käufer mit seinem Vermögen die gekauften Gegenstände auch wirklich bezahlen, der Verkäufer sie auch wirklich liefern könnte. Vielmehr werden Zeitgeschäfte über Quantitäten abgeschlossen, die weit über das Vermögen der Abschließenden hinausgehen. Wer ein Vermögen von 10 000 besitzt, läßt Effektenkäufe über 100 000, wer 100 000 befitzt, Warenkänfe für Millionen an Wert für sich abschließen. Ja es kommt an der Warenbörse mitnnter vor, daß Quantitäten gehandelt werden, die bei weitem das übersteigen, was überhaupt von der betreffenden Ware in der Welt vorhanden ist. Wo die Sache so liegt, da ist es doch gar nicht zu verkenueu, daß die Beteiligten nicht die Absicht gehabt haben können, ein durch wirkliche Lieferung zu vollziehendes Geschäft abzuschließen, daß es ihnen vielmehr nur um die Differenz zu thun gewesen ist.
Gleichwohl haben die Gerichte auch gegen diesen Umstand lauge Zeit die Augen verschlvssen. Endlich, endlich aber hat sich das Reichsgericht ermannt, und seit dem Frühjahr 1L92 sind mehrfache Entscheidungen ergangen, die aussprechen, daß, wo der Vermögensstand der Beteiligten der Art ist, daß darnach an einen wirklich zu vollziehenden Kauf oder Verkauf der gehandelten Mengen gar nicht gedacht werden kann, nur ein Differenzgeschäft vorliege, und dann keine Klage statthaft sei. Darnach sind mehrfach Klagen auf Zahlung von Differenzen, die aus Geschäften der gedachten Art aufgelaufen waren, für unbegründet erklärt worden/")
") Bereits im Jahre vorher hatte der Verfasser dieses Aussatzes in seinem „Gegenent- wurs zum bürgerlichen Gesetzbuch" folgenden Paragraph 705 vorgeschlagen: „Ein in der Form eines Lieferungsvertrags über eine kursmäßig gehandclte Ware abgeschlossener Vertrag,