Tchrstand und Ivehrstcmd
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Kollegium." Und seien wir doch ganz offen- mich das Publikum würde keineswegs sehr eingenommen sein, wenn es sähe, daß ein Lehrer fast täglich, wie das bei andern Ständen zn gewissen Zeiten der Fall ist, in Gesellschaften gefunden würde. Eine gewisse Zurückhaltung in dieser Beziehung ist sür den Lehrstand sehr angemessen. Aus dieser Zurückhaltung aber nun irgend einen Gegensatz zu andern Veamteiiklassen erblicken zu wollen, scheint mir doch unberechtigt. Wie sollte das auch bei uns möglich sein, die wir doch fast täglich Gelegenheit haben, unsern Schülern zu zeigen, wie auf dem Heere die Größe unsers Staates beruht, der Beamtenstand mit feiner Pflichttreue eine Hauptsäule des Staates bildet?
Bei den wiederholten Versetzungen der Offiziere und höhern Beamten sollen die Privatstunden, die dann oft notwendig werden, viel böses Blut machen und die Lehrer iu falschem Licht erscheinen lassen. Daß unsre Schulen trotz aller Gleichmacherei vielfach doch noch recht verschieden sind, gebe ich zu, nnd eS kommt auch oft vor, daß Schüler au einer neuen Schule zurückbleibe», während sie an der alten vielleicht mit fortgekommen wären. Aber — und ich kann mir doch nicht denken, daß mein Kollegium darin allein stehn sollte — wir haben solchen Schülern, wenn ihre Lücken nicht gar zn groß waren, schon wiederholt privatim nachgeholfen, ohne dafür irgend eine Entschädigung zu beanspruche», denn meine Kollegen geben fast alle für Geld überhaupt keine Privatstunden. Und die wenigen, die das zuweilen auders halten, geben wenigstens keinem Schüler in ihren eignen Fächern Privatunterricht. Die Eltern aber sind meistens sehr froh, wenn sie eine solche Hilfe erlangen können. Ein Erfolg kann ihnen natürlich nicht im voraus verbürgt werden, die Stunden werden auch svfvrt eingestellt, wenn sich die Sache als zn wenig anssichtsvvll erweisen sollte. Wie man bei dieser Sachlage den Lehrern solche Borwürfe machen kann, ist mir unklar; wenn gar kein Lehrer mehr Privatstnnden geben wollte, würdeu die Klagen der Eltern noch viel lauter ertönen.
Nun aber zu den Unteroffizieren und Elementarlehrern. Daß der Ele- menlarlehrer zuweilen beim Militär, namentlich bei den Unteroffizieren, ein Gegenstand des Spottes ist, weiß auch ich sehr wohl. Aber steht denn dieser Stand darin allein da? Wer hätte nicht während seiner Dienstzeit von den Unteroffizieren unzählige spöttische und höhnische Anspielungen auf die verschiedensten Bernfsarten gehört? lind wer nicht gedient hat, braucht nur einmal die Fliegenden Blätter auf die „Kasernenhosblüten" hin zu durchblättern — wenn auch nicht immer wirklich geschehn, sind sie doch immer gut erfunden —, und er wird von dieser Borliebe der Unteroffiziere die nötige Vorstellung bekommen. Ich diente als Einjähriger zusammen mit einem Theologen aus dem ersten Semester, seine Jugend hinderte aber den Unteroffizier nicht, ihn stets mit „Herr Pfarrer" anzureden nnd alle seine etwaigen Versehen unmittelbar mit seinem Beruf in Zusammenhang zu bringen. Ebenso ging es einem jungen Mediziner nnd uns andern allen, wo sich nur eine passende oder unpassende Gelegenheit dazu fand. Mau wird sagen: Aber bei den Schulmeistern geschieht das besonders häufig und auch 'gehässiger als bei audern. Nun, wenu das der Fall ist, so steht ja den Lehrern das Recht der Beschwerde zu, und bekanntlich machen sie davon auch ausgiebigen Gebranch: wer sich von den militärischen Vorgesetzten zn einer „Verbalinjurie" — andre kommen ja nicht vor — hinreißen'läßt, soll nnd wird ja auch streng bestraft werden. Aber darüber können wir nns doch keiner Täuschung hin-