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allein reißt und frißt/' Sollte diese Charakteristik nicht auf die ganze Hante Finanee, auf die Vorschußvereine und viele andre „gemeinnützige und wohlthatige" Geldcmstalteu passen?
In einzelneu Fällen setzen Natur und Glück einen Menschen in den Stand, rasch reich zu werden ohne die mindeste Schädigung andrer und auf eine Weise, die nicht Elend, sondern Reichtum voraussetzt. Wer ein großes Weingut im Rheingau ererbt hat, dein schüttet die Natur Reichtümer in den Schoß. Denn die echte Blume des Johannisberges läßt sich nicht künstlich erzeugen, und wenn es viele reiche Leute giebt, die sie geuießeu wollen, so treibt ihr konkurrirendes Angebot den Preis des mir in beschränkter Menge vorhandnen edeln Getränks in die Höhe. Jede große Sängerin ist nur in einem Exemplar vvrhanden, weder teilbar noch künstlich zu vervielfältigen, und die reichen Leute verschiedener Städte, die sie hören wollen, überbieten einander natürlich; verkauft sie ihre Stimme den Meistbietenden, so begeht sie an keinem ein Unrecht, und von Not ist überhaupt keine Rede. Insofern allerdings stehen die hohen Einnahmen berühmter Künstler und Künstlerinnen mit der Not einigermaßen im Zusammenhange, als die großen Vermögen der Personen, die für Gemälde und Eintrittskarten Phantasiepreise bezahlen, zum Teil aus der Not des Volks geflossen sind. Übrigens gehören die ansehnlichen Vermögen, die einige berühmte Maler, Schriftsteller und Opernsängerinnen gesammelt haben, nach heutigein Maßstabe noch nicht zu den großen.
Wir sehen, um den Zusammenhang zwischen Vvlkselend uud National- reichtnm zu erfassen, bedarf es weder der Hegelschen Philosophie noch der höhern Mathematik, sondern nur eines Blicks ins Leben. Will man die Rechenkunst zu Hilfe nehmen, so genügt es, sich das Volksvermögen, oder lieber noch das Volkseinkommen, unter die Volksgenossen auf verschiedene Weise verteilt zu denken. Stellt man sich zuerst vor, daß alle gleich viel haben, und läßt man dann größere Einkommen durch Abzüge an den Einkommen der übrigen entstehen, so ist es doch klar, daß ich, je mehr ich die Reichtümer einzelner will anschwellen lassen, die Zahl derer, denen abgezogen wird, und die Abzüge selbst desto größer machen muß. Daß die durch solche Verteilung verminderten Einkommen an sich zum Leben zu klein, ihre Inhaber also elend seien, ist nicht unbedingt notwendig. Der Nationalreichtnm kann so groß seiu, daß nur Einschränkung des freien Erwerbs, noch nicht positives Elend zur Bildung von Kolossaleinkommen erfordert wird. Das ist jedoch nnr möglich, wo, wie in Nordamerika, die Natnr den größern und die menschliche Arbeit deu kleinern Teil des Einkommens liefert. Wo dagegen, wie in England und bei uns, die menschliche Arbeit allein den Reichtum liefern muß ^ durch Schaffung von Jndustrieartikeln für die Ausfuhr —, da können die Privatreichtümer uur aus dem Volkselend gezogen werden.
Man sieht also: die Landfrage bleibt die Kernfrage. Zwar kann ein Volk Gvenzl'owi 1 1893 73