Die Indenfrage eine ethische Frage
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rechts bedürfen. Einer der bedeutendsten Agrarpolitiker Deutschlands, Geheimrat von Miaskowski, hat sich, von diesem Standpunkt ausgehend, für das Anerbenrecht erklärt, die Enquete des Vereins für Sozialpolitik hat angedeutet, daß für Wucherverhältnifse auf dem Lande auch besondre Gesetze geschaffen werden müssen, und eine Reihe der tüchtigsten Agrarier tritt für ein besondres Schuldrecht für den kleineu Grundbesitz ein. Es mnß aber noch um einen Schritt weiter gegangen und der Grundsatz anerkannt werden, daß das Dorf dein Bauer gehört, und daß sich im Dorfe nur die ansiedeln oder darin verbleiben dürfen, die sich selbst mit Ackerbau beschäftigen, oder die, die zwar Handwerker, Krämer u. s. w. sind, denen aber die Verwaltungsbehörde auf Grund ihres unbescholtnen Lebenswandels nnd der Kenntnis der Landessprache, allenfalls nach Anhörung des Gutachtens der betreffenden Dorfgemeinde, das Ansiedlungsrecht erteilt hat. Dann würde die Behörde, die sich nirgends in gesitteten Ländern nnd besonders in Deutschland oder Österreich uicht von Antisemitismus oder von Willkürlichkeit leiten läßt, das Recht haben, die Blutegel von den Bauern fern zu halten, dem wahren Bedürfnisse der Landbevölkerung aber nach ehrlichen Handelsleuten, Gastwirten und Handwerkern jederzeit zu entsprechen. Auch dies würde eine Säuberung sein im Sinne Garofalos, nnd wenn sie auch in unsre bisherigen öffentlich rechtlichen Begriffe eine Bresche legte, so folgt daraus weder ihre Unrichtigkeit uoch ihre Un- »usführbarkeit.
Man wird mich auf Grund dieses und andrer Vorschläge einen Nück- schrittler nennen; darauf habe ich nnr die in diesen Blättern schon oft gegebne Antwort, daß heute, wo es sich in erster Reihe um wirtschaftliche Fragen handelt, die Schuleinteilung: liberal und konservativ gründlich veraltet ist. Jedenfalls ist mir der Liberalismus, der auf den unwahren Grnndlagen der Freiheit uud Gleichheit steht, und der die materielle Unterjochung des Schwächern durch deu Stürkeru zum Ziele hat. eigentlich der Rückschritt, wogegen der Konservatismus, der sich gegen jene thatsächliche Wiedereinführung der Leibeigenschaft und Hörigkeit mit allen ihm zu Gebote steheudeu Kräften auflehnt, für mich den Fortschritt bedeutet.
Doch ich will mich bei dieser Unterscheidung nicht aufhalten, sondern kurz die Folgeu nennen, die ich von der Einschränkung der Freizügigkeit in dem angedeuteten Sinne erwarte. Ich will zunächst bemerken, daß sich diese Maßregel, wie alle übrigen von mir vvrgeschlagnen, gegen gemeinschädliche Verhältnisse, aber nicht gegen eine gewisse Menschenklasse wendet, und hier ist die weite, unüberbrückbare Kluft, die mich vom Antisemitismus trennt. Thatsächlich werden ja meistens Juden von diesem Gesetz getroffen werden, aber les wird im Nahmen der Gleichberechtigung geschehen, und so werden es ihre Glaubensgenossen nicht wagen dürfen, sie von grundsätzlichen Standpunkten aus zu verteidigen. Wird auf die von mir empfohlene Weise die Ansiedlung