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Bundesstaat und Staatenbund; Volk und Land
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Bundesstaat und Staatenbund; Volk und Land

daß es sich irgend einmal Geltung verschafft hätte. Wenn man es ganz natürlich findet, daß die Menschen nicht mehr auf der Erde, sondern in Türmen über einander geschichtet Hausen, und nur etwa aus Rücksichten der Sitt­lichkeit und der bessern Polizei gegen diesen Zustand protestirt, wem? man es für selbstverständlich hält, daß Millionen Volksgenossen erst Kadaver werden müssen, ehe sie ihren Anspruch auf einen zehn Quadratfuß großen Anteil an ihrem Vaterlande verwirklichen können, wenn die urkvnservative Ansicht, daß die Grube eigentlich dem Bergmann gehören müsse, der ihre Schätze erschließt, wie es auch in den Anfängen des dentschen Bergbaus gewesen ist, als re­volutionär und höchst staatsgefährlich gebrandmarkt werden kann, wenn die Staatsweisen, Volkswirtschaftslehrer nnd Zeitungsschreiber das deutsche Volk mit seinem Unterhalt auf das trügerische und unheimliche Gespenst der In­dustrie verweisen anstatt auf seinen vaterländischen Acker, so sind das genug Beweise dafür, daß man den Staat in die Luft zu bauen im Begriff steht, anstatt auf den Erdboden. Wäre es anders, so würden in den Regieruugs- kollegien und gesetzgebenden Versammlungen Fragen auf der Tagesordnung stehen wie die: Wo liegen die vier Millionen Mvrgen Acker, die die Stadt Berlin braucht? In der deutschen Politik der letzten Jahrzehnte ist die richtige Auffassung eigentlich nur zweimal zu Worte gekommen, in der Luxemburger Frage, wo Vismarck den Grundsatz aufstellte, daß kein Fuß breit deutscher Erde preisgegeben werden dürfe, und in der Absperrung unsrer östlichen Grenze gegen die Einwanderung aus Rußland. Es ist aber noch fraglich, ob die Politiker, die Bismarcks Politik in diesen beiden Punkten mit freudiger Zu­stimmung begrüßt haben, dabei wirklich das Grundverhältnis zwischen Volk und Land oder nur die deutsche Ehre, die ja auch uns hochsteht, und mili­tärische oder andre ganz äußerlich politische Rücksichten vor Augeu hatten.

Von der richtigen Auffassung dieses Verhältnisses zwischen Volk und Land wird über kurz oder lang der Ausfall sehr wichtiger Entscheidungen abhängen. Im ritterschaftlichen Anteile Mecklenburgs muß ein Teil des Bodeus unbenutzt oder schlecht benutzt liegen bleiben, weil es an Arbeitern fehlt. Die erblich an­gesiedelten Arbeiter der Rittergutsbesitzer finden die Bedingungen, unter denen sie zu arbeiten gezwungen sind, unerträglich nnd wandern aus. In den Kreisen der mecklenburgischen Rittergutsbesitzer, wenn wir nicht irren anch in einer land­wirtschaftlichen Versammlung einer preußischen Provinz, ist nun die Frage auf­geworfen worden, ob es sich nicht empfehlen würde, chinesische Kulis einzuführen. Dieser Vorschlag ist zwar überall, wo er bekannt wurde, der gebührenden Ent­rüstung begegnet, aber aussichtlos ist er durchaus nicht, wenn dem deutschen Vvlke sein Verhältnis zu seinem Lande nicht klar wird. Wir haben kein Land für Fremde übrig, auch nicht eiuen Fuß breit! Hätten wir übriges Land, so könnte es unter Umständen ein Vorteil für uns sein, nach dem Beispiele des Großen Kurfürsten etliche tausend Morgen an fremde Kolonisten zu verschenken.