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Robert Schumanns gesammelte Schriften
geführt, allen voran Clara Wieck, die unvergleichliche Künstlerin, der es in einem an Freuden und Prüfungen reichen Leben noch zu sehen vergönnt ist, wie sich der Ruhm und die Werke ihres Gcitteu über die ganze Welt verbreitet haben.
Blicken wir aber auch auf die Kämpfe, die Schumann als Redakteur zu führen hatte. Er stritt gegen die unkünstlerische Richtung, die nur auf äußerliche Virtuosität ausging; er wehrte sich gegen die Charakterlosigkeit der Allgemeinen musikalischen Zeitung, die sich zur Schutzpatronin der Mittelmäßigkeit gemacht hatte, die stets „am Vortrefflichen eine mangelhafte Seite herauszukehren und selbst das Stümperhafte nicht ohne Verdienst zu finden wußte." Er meinte, das Zeitalter der gegenseitigen Komplimente gehe zu Grabe, und er wolle zu seiner Belebung nichts beitragen. Indem er sich so von einer unwahren Höflichkeit lossagte, sprach er denselben Gedanken ans wie Lessing (Dramaturgie St. 4l): „Wenn die Höflichkeit darin besteht, daß man einem auch in solchen Stücken Recht giebt, wo er sich schämen müßte, Recht zu haben, so weiß ich nicht, was beleidigender und einem freien Manne unanständiger sein kann als diese verzweifelte Höflichkeit." Mit demselben Sinne für Wahrheit übte er freilich bisweilen eine herbe Kritik; zornig loderte er auf, wenn er die Würde der Kunst gefährdet sah. So sprach er sich gänzlich ablehnend gegen die Hugenotten aus, und rückhaltlos verwarf er das Oratorium von A. B. Marx. Gegen die Philisterhaftigkeit „lebloser, leichtsinniger uud handwerksmäßiger" Kompositioueu ist er nicht müde geworden zu kämpfen.
In seinem tiefgegrüudcten Sinne für Wahrheit dachte aber Schnmcmn stets darauf, jede Einseitigkeit des Urteils zu vermeiden; darum ließ er so entgegengesetzte Charaktere wie Florestan und Eusebius sich über dieselbe Komposition aussprechen. Dadurch kommt Leben und Farbe in die Kritiken, der Leser wird zu innerlicher Beteiligung herangezogen, um Rede und Gegenrede selbst abzuwägen. Übrigens versteht man Florestan uud Eusebius erst recht, weun man sie auffaßt als die beiden großen Gegensätze aller Mnsik selbst, die sich zu einem harmonischen Ganzen vereinen. Als solche rein musikalische Charaktere werden sie uns erkennbar in der ersten und siebenten Novellette von Schumann <!''-,!»>' und ll-clur), wo die Hauptsätze rasch und feurig sind wie Florestau, die Mittelsätze zart und singend wie Eusebius. Wir sinden sie auch ungesucht bei Beethoven, denn das Adagio der ^is-moll-Sonate steht dem Finale gegenüber wie Eusebius dem Florestau. Ja jedes rechte zweite Thema eines Satzes steht zu dem ersten in diesem Verhältnis; man denke nur au die Corivlan- vnvcrtttre!
Was aber der Kritiker Schumann mit seiner musikalische» Seele empfunden hatte, das stellte er auch herrlich dar in der Sprache des Dichters. In treffenden Bildern giebt er den Eindruck dieser Kompositioueu wieder. Nur ein Beispiel. Nachdem er Mendelssohns Violinkonzert gehört hat, schreibt er