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Aus Goethes Todesjahr : drei Briefe von Friedrich Rochlitz
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fremden und würdigen Stoff geboten, sie dafür gewonnen hat nnd dessen nähere Folgen schon als wohlthätig sich zeigen, dessen entferntere Folgen man noch nicht ahnen kann.

Ter gestrige Abend war wirklich ein überaus schöner und seiu Schluß ins Innerste greifend. Mehr darüber vielleicht mündlich: genug, meine Kräfte reichten aus und Alles lies glücklich zu Eude. Heute eudige ich nun auch das zweite jenes Goethesche Geschäft; dann neige sich Alles dem Abschiede zn. Ich schreibe dies einfache Wort in einer sonderbaren Mischung der Gefühle. Wie so Alles dahingeht, an das Dahingehende sich ein Neues knüpft: Jedes gut und schön, wenn wir es also zu fassen nnd zu gestalten wissen; wenn es in nns steht, wie es soll, daß wir es also zu fassen und zu gestalten vermögen! Nichts aber ohne trene Prüfung und Darbringen seiner Selbstigkeit! wohin denn paßt, was schon das Urdocument unsrer heiligen Schriften sagt:Solche Mühe hat Gott den Menschen gegeben auf Erden." Doch genug! Es hat eben früh 6 Uhr ge­schlagen: bald werde ich eiu Schreiben von Deiner lieben Hand in der meinigen halten. Dies wird meinen Blick mehr von dem abwenden, was dahingeht und an das heften, was nen sich wieder anknüpft wie schon gesagt: Jedes gut uud schön, unter den angegebnen Bedingungen; und diese will ich redlich erfüllen.

Der erwünschte Brief sogar ein zwiefacher ist gekommen: aber er bringt mir nicht die erwünschte Nachricht von Deinem Wohlbefinden, liebste Hen- rictte, und wirft damit einen trüben Schatten in mein Inneres eben darnm auch über mein Äußeres. Zwar hat die freundliche Marie versucht, ihn nufzu- helleu; ich bemühe mich auch ihre beruhigenden Ausichteu mir anzueignen: es will mir aber noch nicht recht gelingen. Darum will ich auch lieber zu schreiben ab­brechen; und ich kann es um so eher, da wir ja deu Dienstag, wenn auch spät am Abend, einander sehen. Gebe Gott, daß es in Heiterkeit geschehen könne. Bis dahin Allen, vom Ersten bis zum Letzten, meine herzlichen Grüße. Mit treuem Antheil der Liebe und Freundschaft

Dein

Rchz.

Den Briefen selbst ist nichts hinzuzufügen. Wie sie tren und doch so ge­winnend den Charakter ihres Schreibers spiegeln, so gewähren sie ein höchst anschauliches Bild der kleinen Welt, in der sie sich bewegen, der Zustände und Stimmungen, die in Weimar in den ersten Monaten nach Goethes Tode vor­herrschten, sie bleiben liebenswürdige Zeugnisse einer .-Zeit, die zwar schon sechzig Jahre hinter nns liegt, aber doch denen nicht sremd geworden ist, die es wissen und festhalten, wie segensreich die Bildung jener Zeit auf die Menschen jener Zeit gewirkt hatte, iu deneu sie reif geworden uud reiu geblieben war. Daß Friedrich Rochlitz zn diesen Menschen in erster Reihe gehörte, ist schon oft zur Geuüge gesagt worden und braucht am wenigsten hier angesichts dieser Briefe wiederholt zu werden.