Albrecht Dürers Jugendentwicklung
551
wir von den Gegnern den Nachweis, daß bereits jetzt das Ziel der Erziehung: die harmonische Ausbildung der menschlichen Kräfte, erreicht sei. Seit Pestn- lvzzi namentlich ist die Forderung solcher harmonischen Bildung immer und immer wieder erhoben worden, und doch haben wir im eigentlichen Sinne nicht die harmonische Erziehung, die dem Meister der deutschen Pädagogik und seinen großen Vorgängern, einem Amos Comenius, August Hermann Franckc, John Locke, sowie Pestalozzis Zeitgenossen, einem Rousseau, Campe, Salzmann, Herder und andern vorschwebte. Wir sind thatsächlich in dem Jrrtnm befangen, daß sich die Erziehung ausschließlich mit dem Erwerb geistigen Besitzes, mit der Vermittlung geistiger Bildung zu befassen habe. Daher sind wir von vornherein so leicht geneigt, jede körperliche Arbeit als ein ihr fremdartiges Element zurückzuweisen. Und doch gehören beide, körperliche und geistige Arbeit, eng zusammen; nnr in einem gesunden Leibe wohnt eine gesunde Seele, und es ist eine Erfahrnngsthatsache, daß zwischen den körperlichen und den Seelenzustüuden die innigste Wechselwirkung besteht. Wir glauben also nicht daran, daß das Ideal einer harmonischen Erziehung schon erreicht sei, wir uehmeu das Recht für uns in Anspruch, ehrlich darnach zu ringen.
Und wir werden darin nicht nachlassen. Ob wir mit unsern Bestrebungen zum Ziele kommen werden, das stellen wir getrost der Zuknnft anheim. Wir leben aber der fröhlichen Zuversicht, daß es uns gelingen werde. Die Kraft und die Naschheit, mit der sich die Idee des Arbeitsunterrichts in wenig mehr als einem Jahrzehnt in allen Kulturstaaten Boden erobert hat, sie sind ein Zengnis dafür, daß der Gedanke, die Arbeit sei ein wichtiges, bisher verkanntes Erziehungsmittel für das heranwachsende Geschlecht, kaum je wieder verschwinden kann; er wird seinen Platz behaupten, denn die gesunden, den Fortschritt der Menschheit fördernden Ideen haben ein zähes Leben. Mag es daher anch das stumpfe Vorurteil und das zähe Festhalten am Althergebrachten versuchen, die Idee der Arbeitserziehung in dem Sumpfe der Gleichgiltigkeit zu begraben, wir werden sie unermüdlich hochhalten. Die Zukunft wird lehren, wem zuletzt der Sieg bleiben wird.
Albrecht Dürers Iugendentwicklung
Von Aonrad Lange n den Januarheften der Grenzboten habe ich bei Gelegenheit einer Rezension der neuen Springerschen Biographie mehrere allgemeine Fragen, die sich auf die Beurteilung von Dürers Kunst beziehen, in neuer Weise zu beantworten versucht. Es handelte sich dabei unter cmderm auch um Dürers Verhältnis zur italienischen Kunst, um die Beeinflussung, die er in seiner Jugend von
W «