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Der Untergang der alten Welt
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Der Untergang der alten U?elt

Vorrang Italiens wurde aufgehoben. Konstantin trennte dann die bürgerliche und militärische Verwaltung, vermehrte durch Teilung die Zahl der Provinzen und damit der Beamteu, unterwarf das Reich einer wohlabgestuften, strasf zentralisirten Bureaukratie, ordnete das Stenerwesen einheitlich und errichtete eine Feldarmee neben den Grenzheeren. Beide Reformer behandelten Rom nicht mehr als Hauptstadt; der erste verlegte den Regierungssitz in die be­drohten Greuzlande (Nieomedien, Sirmium, Mailand, Trier), der zweite nach dem unbezwinglichen Konstantinopel, also nach dem griechischen Osten. Diese Reformen mochten notwendig erscheinen, aber sie bezeichneten einen ungeheuern Abfall von allen römischen Überlieferungen, ein Eindringen fremder, nament­lich orientalischer Anschauungen, waren auch Wohl nur deshalb möglich, weil die Monarchen, die sie vornahmen, weder Römer noch Jtaliker, sondern ro- manisirte Jllhrier (Albanesen) und von Haus aus reine Soldaten waren, also Männer, die mit der wirklich römischen Vergangenheit kaum einen innern Zusammeuhcmg hatten. Schon aus diesem Grunde hätten sie ein ueues Leben nicht zu erwecken vermocht. Sie unterdrückten vor allem das beste, was das römische Reich besessen hatte, die Selbstverwaltung seiner Stadtgemeinden, und förderten durch ihren despotischen Geist die wirtschaftlich-soziale Not, die immer drohender anwuchs.

Was hat überhaupt das römische Reich für die ihm angehörigen Völker in wirtschaftlich-sozialer Beziehung bedeutet? Zunächst brachten die endlosen Kriege, die zu seiuer Aufrichtung geführt wurden, über die blühendsten Länder nicht nur lang andauernde wirtschaftliche Stockungen, sondern auch oft genug umfassende gewaltsame, ja planmäßige Zerstörungen, denn die antike und namentlich die römische Kriegführung war die Grausamkeit und Unerbittlichkeit selbst. Zahlreiche blühende Städte wurden vernichtet, ganze Bevölkerungen in die Sklaverei verkauft, gewaltsam in andre Gegenden verpflanzt oder geradezu ausgerottet, wenn es der Staatsvvrteil, d. h. die erbarmungslose Selbstsucht des römischen Volkes gebot.Als ich auf der Rückreise aus Asien von Ägina her auf Megnra segelte schreibt ein vornehmer und seingebildeter Römer im Jahre 45 v. Chr., da blickte ich auf die Landschaften ringsum: hinter mir lag Ägiua, vor mir Megara, rechts der Piräus, links Korinth: diese einst blühenden Städte liegen jetzt darniedergcworfen und zerstört,"vier Städte­leichen" (oxpiclornM <zu.cliiv<zrch, die man vom Deck eines Schiffes fast zugleich überblicken konnte! Um dieselbe Zeit weideten auf der Stätte, wo einst Kar­thago, das London des Altertums, gestanden hatte, die Herden römischer Grundherren. Mit unheimlicher Kalte gehen die römischen Geschichtschreiber über die Szenen voll Entsetzen und Elend hinweg, die sich bei solchen Ereig­nissen abgespielt haben müssen, denn sie empfanden römisch, nicht menschlich. Und diese erbarmungslosen Zerstörungen wurden oft nicht etwa von erbitterten oder beutegierigen Soldatenhaufen in der Erregung des Kampfes oder der