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Athen war von Natur fest, noch fester sollte sie durch die Kunst werden, eine letzte Zuflucht für das Volk und zugleich ein Weihegeschenk für die Göttin, die ihren Athenern die Rückkehr gewährt hatte. Darum wurde der steile Nordrand der Burg durch hohe Mauern gesichert, und im Süden und Osten erbnute Kimon aus der Kriegsbeute jeue gewaltige Mauer, die nach ihm die kimonische heißt. Die unregelmäßige Kuppe des Hügels aber wurde durch umfängreiche Aufschüttungen geebnet, um für die Tempel, die sich da erheben sollten, Raum zu gewinnen. Der Schutt, der dazu uötig war, lag ja auf der Akropolis: die Trümmer der von den Persern zerstörten Tempel, Rumpf und Glieder der zerschlagnen Kunst- werte, alte und wertlose Weihgeschenke aus Marmor oder Thon, zerbrochne In- schrifteutafeln nud Vasenscherben, alles das, was einst der Stolz des alten Volkes gewesen war, das stillte nun den Grnnd, auf dem ein neues Geschlecht die herrlichsten Schöpfungen der Kuust aufzurichten gedachte.
Länger als zwei Jahrtausende lagen diese Trümmer unter der Erde, da begann im November 1385 der Genercilephorvs der Altertümer, P. Kavvadias, im Auftrage der griechischen archäologischen Gesellschaft zu Athen ausgedehnte Ausgrabungen, die für die archäologische Wissenschaft eine außerordentliche Bedeutung gewonnen haben, vor allem dadurch, daß die Entstehungszeit der gefundneu Gegenstände ziemlich fest steht: zertrümmerte Kunstwerke, die bei diesen Ausgrabungen zu Tage gekommen sind, müssen vor 430 v. Chr. gearbeitet worden sein, denn sie sind von den Persern zertrümmert worden. Wer sich jemals mit der Geschichte der griechischen Bildhauerkunst oder mit griechischer Vasenkunde beschäftigt hat, der weiß, iu welcher scheinbar heillosen Verwirrung wir bei der Zeitangabe von Kunstwerken aus der ersten Hälfte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts hin und her tappten. Man darf ohne Übertreibung sagen, daß die Ausgrabungen auf der Akropolis für unsre Kenntnis der schwarzfigurigen und rotfigurigen Vasenmalerei einen neuen Grund gelegt haben. Auch die Geschichte der griechischen Bildhauerkunst ist durch diese Ausgrabungen gefördert' worden. Die alten Poros-Giebel führen uns hoch ins sechste Jahrhundert hinauf, und zahlreiche bemalte Bildwerke und Künstlerinschriften zeigen uns, wie gemischt die Künstlerschaft war, die schon vor den Perserkriegen in Athen arbeitete, wie Fremde uud Einheimische neben einander thätig waren, Künstler, die mit ihrer fremden Kunst in Athen eine zweite Heimat fanden, und Künstler, die die weiter entwickelte Kunst des Fremden mit der einheimischen Kunst zu vereinigen suchten. Und auch die Geschichte der griechischen Baukunst ist durch die neuen Entdeckungen bereichert worden. Der alte, von Peisistratos erweiterte Parthenon ist wieder aufgedeckt worden; an der Nordseite der Akropolis sind die Grundmauern eines uralteu Palastes, dessen Anlage an die Herrenburgen von Mykenae uud Tiryns erinnert, gefunden worden, und an Sünlenbekrönuugeu hat man das Eindringen der ionischen Bauart in Attika und die Umwandlung des ionischen Stils durch attische Kunstler nachzuweisen vermocht.
Ähnliche Entdeckungen sind ja uuu auch an andern Orten geglückt, und dem Laien erscheint das Ergebnis der Ausgrabungen auf der Akropolis vielleicht weniger bedeutend als die Kunstwerke, die in Pompeji oder in Olympia oder in Pergamon gefunden worden sind. Was aber den Ausgrabungen auf der Akropolis ihren ganz besondern Wert verleiht, das ist der Umstand, daß sie uns gerade die athenische Kunst in einer Zeit, die fast vor der sicher bezeugten Geschichte liegt, und in einem Zeitraum der schnellsten und folgenreichsten Entwicklung erkennen lassen. Die athenische Kunst ist und bleibt ja die Schöpferin alles dessen, woran andre Volker gelernt haben und woran auch wir noch lernen sollen. Und wie der Name des Greuzboten I 18SL . 82