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lediglich Sache der Auslegung sein, wobei der Sprachgebrauch des (Gebers ius Gewicht fallen könnte.
Wir bemerken hierzu, daß die betreffende Nachricht über die augebliche Entscheidung des Reichsgerichts Ende Januar oder Aufaug Februar fast durch die. gesamte Tagespresse gegangen ist, und zwar i» zweierlei Fassung, iu einer allgemeinen, ohne nähere Angabe des Falles, und in einer besondern, die den Fall auf den Eintritt der Eidesmündigkeit zuspitzte. Die zweite Fassung ist uns leider erst zu Gesicht gekommen, als unsre Notiz „Der große Logiker" schon gedruckt war. Aus der eben mitgeteilten Aufklärung ergiebt sich, daß die Worte, aus denen die Zeitungen eine Entscheidung des Reichsgerichts herausgelesen haben, an der betreffenden Stelle der Reichsgerichtsenlscheidung ein unnötiger Zusatz uud für die Entscheidung der Rechtsfrage selbst ohue Belaug wäre». Immerhin weicht das Reichsgerichtserkenntnis in diesen Worten von dem natürlichen Sprachgebrauch des Volkes ab. Der Tag der Geburt wird uicht gefeiert; gefeiert werden immer nur die Geburtstage. Seinen ersten Gebnrtstag feiert man also, nachdem mau das erste Lebensjahr zurückgelegt hat.
Beiläufig: Seit wann sind eigentlich liberal! in unsrer Rechtssprache die schöne» Wörter beeidige«, Beeidigung, uubeeidigt u.s,w.eingeführt worden? In Sachsen wnrde man früher vereidigt, wie man noch heutigestags verpflichtet wird, aber uicht bepflichtet. Beeidigen kann für den, der noch eine Spur von Sprachgefühl hat, nichts anderes bedeuten, als durch einen Eid bekräftigen, beschwören. Es ist ein Jammer, wie durch solche verkehrte Anwendungen das Sprachgefühl iu Verwirrung gebracht wird.
Litteratur
Das Licht der Welt. Uraltes in neuer Gestalt. Von Johannes. Leipzig, Th. Grieben, >.89l
Der Verfasfer dieses Buches hat sich das Hauptergebnis der Bibeltritik eines tiefsinnigen, geistvollen und nnermüdlicheu, aber wenig beachteten Forschers, des vv. Hugv Delff, angeeignet, nach dem nur das Johannisevangelium, dieses aber ganz gewiß, von einem unmittelbaren Schüler Jesu stammen soll. Der heutige Johannes nnn, der seinen wirklichen Namen nicht verraten mag, verfolgt mit seinem Büchlein einen doppelten Zweck. Ersteus will er eiue Evangelienharmonie liefern, eine biblische Geschichte, die die Form der Abteilung iu Kapitel und Verse beibehält, aber die zusammengehörigen Bestandteile der vier Evangelien besser als die gewöhnlichen Bücher dieser Art zu eiueiu wohlzusammenhängenden fließenden Ganzen verbindet. Sodann aber will er durch saubre Ausscheidung aller vermeintlich spätern Zuthat, zn der er namentlich die Wnndergeschichten rechnet, ein getreues Bild Jesn uud seine reine Lehre herstellen nnd dadurch dem wiedererwachten Glaubeusbedürfnis der Gebildeten entgegenkommen. Die erste Aufgabe hat er vorzüglich gelöst; litterarisch betrachtet steht sein Werk entschieden über dem der vier Evangelisten, es liest sich sehr gut nnd wird allen solchen willkommen sein, die gern im Neuen Testament Erbauung suchen, denen aber an den Wnndergeschichten nichts liegt uud