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Das Verhältnis der Sittlichkeit zu Christentum, Staat und Kirche : geschichtsphilosophische Gedanken 15 :
(Fortsetzung)
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Dus heilige Lachen

Moral oder irgend eine philosophische, so mnß ihm das freistehn; ein auf­richtiger Epiknreer ist nicht allein für die Gesellschaft nützlicher sondern auch wirklich sittlicher als ein heuchlerischer Christ. Die schöne Moral unsers ge­bildeten deutschen Bürgerstandes, die in der Zeit von den Befreiungskriegen bis in die letzten Jahrzehnte geherrscht hat. beruhte auf einer glücklichen Mischung christlicher und humanistischer Anschauungen und Motive. Seit einiger Zeit droht sie nach drei oder vier verschiednen Richtungen anseinander- zugehn. Auf der einen Seite sehen wir ein raffinirtes Gennßleben mit ein bißchen angefaulter Ästhetik verbrämt, auf einer andern die grobe, blinde, tolle Geldgier, sodann eine Nvhheit und Rücksichtslosigkeit, die sich unter dem Namen der Schneidigkeit brüstet, ans der vierten Seite endlich Pietisterei und Pnritanertum. Das ist doch wohl eher Zersetznng als heilsame Differenzirnng zu nennen. Auf diesem Gebiete mnß eine ueuc Einigung angestrebt werden, die jedoch weder vom Staate noch vou der Kirche zu erwarten ist. Wie im vorigen Jahrhundert, mnß wieder auf litterarischem Wege eine Nepublick der Gebildetem gegründet werden, die über den Konfessionen und politischen Parteien steht, und die auch die Moral wieder auf die einzig sichere, weil natürliche Grundlage der sittlichen Ideen stellt. Dadurch mnß im Volke ei» zuverlässiger sittlicher Takt erzogen werden, der natürlich niemals hinreicht, für jede Einzelfrage auf kasuistischem Wege eine übereinstimmende und sür alle bindende Entscheidung herbeizuführen, was auch gar nicht nötig ist, der es aber merkt und entschlossen Widerstand leistet, wenn dem Volke entweder erlaubter Genuß verkümmert, oder unerlaubter als erlaubt hingestellt, oder ungerechte Gewaltthat als Mittel zu einem vermeintlich guten Zweck empfohlen wird. Wunderbar ist die Heldenkraft, die der christliche Glaube in außer­ordentlichen Füllen verleiht, aber so allgemein brauchbar und wohlthätig ist keine Charaktereigenschaft, als die aus Hellas stammende Gewohnheit, Maß zu halteu in allen Dingen.

(Schluß folgt)

Das heilige Lachen

ach langer, sorgsamer uud liebevoller Vorbereitung brachte das königliche Schauspielhaus zu Berlin am 16. Febrnar Wilden­bruchs Mürchenschwank in sechs Bildern: Das heilige Lachen zum erstenmale zur Aufführnng. Wildeubruch hat aus leicht begreiflichen Gründen gerade in Berlin seine wärmsten Anhänger, und man sah diesem Werke, von dem man jedenfalls etwas ganz Besondres