Beitrag 
Lateinische Volksetymologie und Verwandtes
Seite
446
Einzelbild herunterladen
 

446

Lateinische Volksetymologie und Verwandtes

Als drittes ist in der Volksetymologie der Volkswitz bei der Neubildung und Umbildung von Wörtern wirksam, zwar nicht in allen Sprachen in gleicher Stärke, aber er fehlt doch nirgends ganz. Am mächtigsten ist er wohl im Deutschen, und Ausdrücke, die der Volkswitz bei uns geschaffen hat, wie Zuvielverdienstorden für Civilverdienstorden, Ziehjarrn für Cigarren, Zank- thippe für Xanthippe, Bibelapothek für Bibliothek und Jnmfernautc für Gouvernante, oder Verdrehungen, die dem Witz eines Einzelnen entsprungen sind, wie die Fischartschen Bildungen Jesuwider für Jesuiter, Pfotengraiu für Podngra und Unteuamend für Fundament gehören zu den heitersten Schöpfnngen der Volksetymologie und des Wortwitzes.

Am schwächsten scheint dieser Trieb im Lateinischen gewirkt zu haben. Die geistige Anlage des Römers war dem harmlosen Witze nicht günstig. Sein Witz war fast immer persönlich und entweder boshaft oder uuaustäudig, am licbsteu beides zugleich. Der uuschuldige und harmlose Witz ist dem römischen Volke fremd. Ein Witzblatt wie die Fliegenden Blätter würde noch jetzt in Italien geringen Beifall finden.

Auch Otto Keller, der das weite Gebiet der lateinischen Volksetymologie mit Fleiß und Sachkenntnis durchforscht hat, kann nicht eben viele Beispiel beibringen. Verhältnismäßig nm häufigsten sind Wortspiele, wie pÄni^örlvnA Brotträger für xg.vsMri<;u8, Lobhudler; areuidueulus, Erzochs für ürLbibuoolos, Erzpriester; äisplioirm mit Anlehnung an clisplioeM (mißfallen) für öi8oipliim. Hierher gehören auch Nameusverdrehungeu wie litibicmus si'irbios, Wut! für I^l»isnu8 und die Umwandlung des Namens libsrius OlÄuclius 5!m'v der Kaiser Tiberius ist gemeint in Libsrius (üuMus Nsro, prvpwr uimmm vini g-vicUtÄkonr.

In diesen Beispielen tritt das Boshafte im römischeil Witz deutlich hervor. Die Vorliebe für das Uncmstäudige hat nach Kellers Meinung die Anwendung vou oulirm, Küche für 1g.t,riim, Abtritt begünstigt; der Römer soll dabei an oulu8 gedacht haben. Es ist ja möglich, daß dieser Klang in culiim mitwirkte. Aber man darf vielleicht bei dieser Redensart einen harmlosern Ursprung vermuten. Wie man noch in Pompeji sehen kaun, war im römischen Hause der Abtritt unmittelbar neben der Küche, in einer für uns wunderlich nahen Verbindung. Wie wir nun znm Beispiel im Waldeabtreten" und zwischen den Büschen einVeilchen" oder einVergißmeiuuicht suchen", so ging vielleicht der Römer angeblich in ouliimin, wenn er seine Schritte nach dem nahen Örtchen lenkte. Diese harmlose Erklärung der Redensart wird noch dnrch die Bemerkung gestützt, daß auch im Lateinischen die kraftvollen und klangvollen Wörter dieses Schlags gern durch mildere ersetzt wurden. So heißt ja Ig,triim. eigentlich Waschraum, nnd für «A<Z!U'u sagte man clss» nrgsrö nnd g.8L<zIlg.i's, aufs Stühlcheu gehen.

Unanständig aber uud zugleich boshaft war es, wenn die Römer die