Albrecht Dürer
teten) Stelle hervor, wo Dürer von der Melancholie spricht. In einer der Handschriften des Britischen Museums wird unter anderm von der pädagogischen Behandlung der Malerlehrlinge folgendes gesagt: „Des sechst', ob sich der Jung zu viel übte, davon ihn die Melcmchvley überhnnd möcht' nehmen, daß er durch kurzweilig Saitenspiel zu lehren davon gezogen werd zu Ergötzlichkeit seines Geblüts." Für Dürer ist die Melancholie also einfach eine Mißstimmung, wie sie durch übertriebnes Arbeite«? erzeugt werdeu kann, nicht eine pessimistische Weltauffassuug oder ein thatenloses Bekenntnis der eignen Schwäche. Auf Nachtwachen nnd nächtliche Arbeit bezieht sich offenbar auch die Fledermaus, die Dürer seiner geflügelten Frau hiuzugefügt hat. Denn die Fledermaus treibt ihr Wesen in deu ersten Stunden der Nacht, und es herrschte der Aberglaube, daß, wer den Kopf oder das Herz eines solchen Tieres bei sich trage, so lange nicht vom Schlaf übermannt werden könne/"")
Wenn also Dürer das geflügelte Weib, das die Meßkunst und die ihr verwandten Thätigkeiten darstellt, einer der vierKvmplexionen zuschreiben wollte, so konnte das nur die Melancholie sein.
Wie kam er aber überhaupt auf die Idee, hier eine der vier Kvinplexivnen herbeizuziehen? Bekanntlich haben frühere Gelehrte die Vermutung ausgesprochen, daß Dürer die Absicht gehabt habe, vier seiner Kupferstiche als Allegorien der vier^ Komplexionen zu bezeichnen. Sie wurden zu dieser Hypothese veranlaßt erstens durch die Erwägung, daß, wo eine Melancholie als solche bezeichnet wird, entsprechend dem Glauben der Zeit auch die drei andern Temperamente nicht fern sein könnten. Zweitens durch die Beobachtung, daß die Stiche: Melancholie, Hieronymus im Gehäns uud Ritter, Tod und Teufel, die ja alle drei fast gleichzeitig, d. h. im Verlauf der beiden Jahre 1513 nnd 1514 entstanden sind, in den Maßen fast genan mit einander übereinstimmen. Drittens durch das eigentümliche Zusammentreffen, daß die beiden andern Stiche, obwohl eigentlich Allegorien des Glaubens und der hnnmnistischen Gelehrsamkeit, doch gleichzeitig recht gnt als Repräsentanten des sanguinischen und des Phlegmatischen Temperaments aufgefaßt werdeu können. Denn ebenso wie man die ruhige Arbeit des Büchergelehrten recht wohl mit dein phlegmatischen Temperament vereinigen kann, liegt nicht die geringste Schwierigkeit vor, den Glanbens- ritter, der unbekümmert um die Gefahren, die ihn von allen Seiten bedrohen, ruhig und wohlgemut (Thausing erkennt sogar ein Lächeln in dem Gesicht) seine Straße zieht, als Sanguinieus zu bezeichnen. Und dazu kommt viertens, daß auf dem Jnschrifttäfelchen dieses letztern Kupferstiches vor der Jahreszahl ein ganz deutliches L steht, das man nicht mit Springer als einen raumfüllenden Schnörkel bezeichnen kann, sondern sehr viel natürlicher als den Anfangsbuchstaben des Wortes LariAumivus auffassen wird. Und wenn man
*) Zahns Jahrb. 1,12. Conway 189.
Geßner, Historie ^mms-Iium III, S. 738.