Joseph Joachim der Lmierndichter
Kampf des Mtramontanismus gegen die freiern Geister entfesselt sich vor uns in seiner ganzen Heftigkeit und Leidenschaft. Dorf und Stadt, alte Überlieferung uud modernstes Strebertum, Einfalt und Naffiuirtheit stehe» sich gegenüber — das alles bietet der reiche Inhalt dieser Volksgeschichte, die uns bis auf die letzte Zeile nicht losläßt und mit ungewöhnlichem künstlerischem Sinn komponirt ist. Denn sie zerfällt in zwei an Umfang und Tonart grundverschiedene Teile. Der erste, der die Geschichte des leidenschaftlicheren und thatkräftigen Bruders giebt, ist ebenso reich bewegt, gleichsam übersprudelnd, wie der zweite, der die Geschichte des beschaulichen nnd philosophischen Bruders enthält, still und idyllisch dahinfließt, die Vergangenheit von: Standpunkte eines beruhigte» und geklärten Weisen überschaut. Nachzuerzählen ist die Geschichte nicht, wir wollen uur kurz berichten, nm was es sich darin handelt.
Die beiden Brüder Peter und Shlvan Krüger sind ungleich an Begabung und Temperament. Shlvan hat Lnst am Studiren und soll nach rechter bäurischer Sitte „geistlich" werde». Die fromme Mutter freut sich schon auf deu zukünftigen Pfarrherrn, der aus ihrem Blnt entsprossen ist. Aber er gewinnt auf der Universität eine besondre Neigung für die Naturwissenschaft nnd will lieber Arzt werden. Der gute ehrwürdige Pfarrer von Mattweiler ist selbst ein eifriger Botaniker, hat seine eignen Gedanken über den Stand des katholischen Geistlichen und unterstützt das Gesuch Shlvans bei dessen Eltern; denn diese haben als rechte Bauern nicht das geringste Interesse und Verständnis für ein Stndium, das einem andern Berufe als dem des Gottesmauues gewidmet sein soll. Sie geben also nach, aber im Grunde hat Shlvan durch sein Abschwenken zur Medizin die Bande, die ihn an die Elteru knüpfen, zerrissen. Sie unterstützen ihn nicht mehr mit Geld, nnd als er gar wegen eines unglücklichen Duells zu ihnen flüchtet, jagen sie ihn ganz fort. In diesem Streit zwischen Eltern und Sohn nimmt Peter, der Bruder, eine kühle Haltung ein. Er ist ein echter Banernsvhn, er versteht seinen Bruder gar uicht, und als ihm nach Banernsitte das ganze nicht geringe Erbe seiner Eltern zufällt, da nimmt er es anch an; mehr Gedankenlosigkeit als wirklich übler Wille bringt ihn so zu seinem Brnder in ein schiefes Verhältnis. Peter bleibt also im Dorfe, übernimmt die Wirtschaft, und allmählig treten auch seine guten und tüchtigen Geistesgaben und Willenskräfte zu Tage. Er hat das Glück, eine llnge und arbeitsfrohe Frau zu findeu, die freilich nach bäurischen Begriffen unter dem Stande ihres Mannes ist, da sie kein Vermögen hat, nnd mit dieser Frau haust Peter, der Leuenwirt, wie er nach dem Schilde seines Wirtshauses geuauut wird, viele Jahre iu Eintracht, Zufriedenheit uud steigendem Wohlstand. Ohne sein Bemühen fallen ihm die höchsten Würden der Dorfgemeinschaft zn, und zu der Zeit, wo wir ihn kennen lernen, ist er Bürgermeister oder „Ammann", nach der ortsüblichen Bezeichnnng und die Seele der Gemeinde. Er ist ihr Ratgeber und sehr oft, im Stillen