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weigerte, noch auch die Jesuiten, für deren Wiederaufnahme die Germania heute in alleu Tonarten eintritt. Es scheint nnn, daß die Germania mit der Jesnitenfrage ihr viel größeres Jnteresfe an der Schulfrage maskirt, und daß sich das Zentrum den Schein zu geben gedenkt, als bringe es noch ein großes Opfer, wenn es die Jesuiten fallen lasse, um sich mit dem Schulgesetze zu begnügen.
In Wirklichkeit spricht keine Erwügnng realer Politik dafür, daß dem Zentrum überhaupt noch irgendwelche Zugeständnisse zu machen seien. Man wirst dem Grafen Caprivi vor, daß unter ihm die Ära der unnötigen Zugeständnisse begonnen habe; wir Wolleu hoffen, daß dieser Satz ans die zunächst bevorstehende parlamentarische Politik des Reichskanzlers keine Anwendung finde.
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an mag von der Nenen Freien Presse im übrigen halten, was man will, den Leitartikeln ihres „Eeonomist" überschriebnen Handelsteils muß mau es lasfeu, daß sie von gewiegten und zum Teil geistreichen Fachmännern geschrieben, daher in ihren thatsächlichen Angaben zuverlässig und in den räsonnirenden Teilen beachtenswert sind. Die „ökonomische Rückschau" vom 1. Januar mit dem Goethischen Motto: „Den Znfall bändige znm Glück" verdientes, wie uns scheint, daß wir die Hauptgedanken herausheben und mit einigen kritischen Bemerkungen Verseheu.
Der Verfasser beginnt mit den Flüchtlingen ans Rußland, denen man hie und da in deu Straßen Wiens begegne — gemeint sind jedenfalls Vertriebne Juden —, und mit dem, was sie erzählen. „Die heimatlosen Wandrer verkünden uns, daß der russische Despotismus, der die höchste Gefahr für die Gesittung und die Wohlfahrt Europas bildet, von einer schweren Krise erfaßt ist, die er nicht mehr zu bewältigen vermag. Eine Regierung, die nicht mehr imstande ist, die Bewohner des Reichs vor dem Hunger zu schützen, beweist, daß sie bis ins innerste Mark morsch geworden ist, daß die Fäulnis schon die Lebens- vrgane ergriffen hat, und daß sie noch drohen, aber nicht mehr handeln kann. Rußland ist besiegt, noch ehe es einen Schwertstreich geführt hat." Das mag ein wenig übertrieben sein, aber der Hauptsache nach ist es unzweifelhaft richtig. Die Furcht vor Rußland und die Sehnsucht nach seiner Freundschaft sind eiuem großen Teile des deutschen Volkes stets rätselhafte Erscheinungen geblieben; heute würden sie von niemand mehr verstanden werden.