58 Die Bekämpfung der Sozialdemokrcitie vom psychologischen Standpunkt
Bildung aufgenommen, zum Teil in der Nationalökonomie untergebracht werden, die an allen höhern Schulen gelehrt werden sollte. In der erstern kann die Geschichte der Staatsverfassungen und politischen Bewegungen mehr betont werden, während in die Nationalökonomie auch eine Darstellung des ganzen Staatslebens ausgenommen werden kann.
Damit wäre im allgemeinen der Begriff der Bildung festgestellt, denn der Begriff der Berufsbildung braucht nicht näher erörtert zu werden. Der wichtigste Begriff ist jedenfalls der der allgemeinen Bilduug, denn sie umfaßt alles Wissen, das vorzugsweise auf den Charakter einwirkt. Deswegen sind auch die Naturwissenschaften zur allgemeinen Bildung nnr so weit erforderlich, daß ein gewisser Sinn und ein gewisses Verständnis sür das Leben der Natur erweckt wird; sie bergen aber eine große Gefahr in sich, nämlich die: alles nur in seiner Äußerlichkeit aufzufassen, nichts zu schätzen, das nicht äußerlich gemessen und in Zahlen bestimmt werden kann, und die naturwissenschaftliche Methode ans alles anwenden zn wollen. Man kann sagen, die Naturwissenschaften sind der Krebsschaden unsrer heutigen Bildung; sie haben eine Oberflächlichkeit des Denkens auf allen nicht naturwissenschaftlichen Gebieten nnd eine Äußerlichkeit der Auffassung erzeugt, die sich schon gerächt hat und sich noch schwer rächen wird. Die Sozialdemokratie ist theoretisch ein Kind des naturwissenschaftlichen Materialismus. Sie verkennt vollständig, daß es eine sittliche Rangordnung der Gitter giebt, die mit der rein quantitativen nnd materiellen uicht übereinstimmt. Aber alles Sittliche tritt heutzutage in den Hintergrund, weil die Selbstbeobachtung und Selbsterkenntnis, die einzigen Grundlagen des Verständnisses andrer, über der einseitigen Betonung der Naturwissenschaften fast ganz verloren gegangen sind. Dadurch ist im Publikum ein Unverständnis aller philosophischen Bestrebungen erzeugt wordeu uud eiue Verachtung aller Philosophie, die ihrerseits eine Berflachung des Denkens hervorgerufen haben, wie sie kaum jemals vorhanden war. In den besondern Wissensgebieten wird oft Bedeutendes geleistet, aber allgemeine Fragen, die keinem einzelnen Gebiete angehören, werden heutzutage meist mit einer Unklarheit und Oberflächlichkeit behandelt, die erschreckend ist. Und doch sind gerade diese allgemeinen Fragen solche, welche die Massen am meisten bewegen und sich der naturwissenschaftlichen Lösung meist gänzlich entziehen. Man hat vorgezogen, diese unbestimmt zu lassen, sobald sie sich nach naturwissenschaftlicher Methode nicht genau beautworten lassen. So treten die Geistes- wissenschaften nnd vor allen die Philosophie immer mehr in den Hintergrund, und die Angriffe auf das einzige Bollwerk logischer und psychologischer Bildung, das noch vorhanden ist und das mit ihr zugleich historische Bildung verbindet, auf den Unterricht in den klassischen Sprachen, mehren sich und werden mit der Zeit auch seinen Fall herbeiziehen. Doch so mnß es kommen, nicht eher wird man sich wieder zur klassischen nnd philosophischen Bildung zurückwenden, bis die naturwissenschaftliche Methode den innern Zusammenhang alles Wissens