Der Gedanke einer deutschen ^prachakademie
in der Geschichte und in der Gegenwart
von Arnold Berger
ir alle preisen heute den preußischen Staat als den wirksamsten Förderer unsrer nationalen Einigung. Es kann diesem Verdienste Preußens nichts von seiner Große rauben, wenn wir aus der Geschichte erfahren, daß seine politische Thatkraft vorwiegend die Form und die natürlichen Voraussetzungen geschaffeu hat, die den Zusammenschluß der Nation ermöglichten, daß der Gedanke eines einigen Deutschlands aber nicht von Preußen ausgegaugen, ja sogar erst sehr spat von ihm wirklich erfaßt worden ist. Dieser Gedanke ist älter als der preußische Staat, und die Kraft, die ihm iuuewvhnte und die Politik Preußens schließlich in seine Dienste zwang, war darnm von sv durchgreifender Uuwiderstehlichkeit, weil sich um diesen Gedanken seit Jahrhunderten alles gesammelt hatte, was cm unerfüllter Sehnsucht in den Besten des Volkes lag. Seit dem sechzehnten Jahrhundert gab es in Deutschland keinen einheitlichen Staat nnd keine einheitliche Kirche mehr; es gab somit keine einheitliche Entwicklung des Lebens überhaupt, denn überall mußte man auf diese Schranken stoßen. Was im Leben unwiederbringlich verloren schien, rettete sich in die Zurückgezvgeuheit der geistigen Welt, und au der Einheit Deutschlands zu arbeiten wurde fortan die höchste Aufgabe nnsrer aufstrebenden Litteratur. Mit dem sechzehnten Jahrhundert hatte der Stand der Gelehrten die geistige Führung der Nation an sich genommen; anch die Dichtung, von Gelehrten geübt, ordnete sich dem wissenschaftliche» Ganzen ein: »och bis tief in das achtzehnte Jahrhundert hinein ist die Dichtkunst die „schöne Wissenschaft" und Litteraturgeschichte Grenzvoten II 1891 39