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Ein Streifzug durch das Gestrüpp der Frauenfrage
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82 <Lin Streifzng durch das Gestrüpp der Franeiifrage

Übereinstimmung der Herzens- und Geistesrichtnng für nicht minder wichtig zu halten, als die der äußern Verhältnisse. Vielen widerstrebt es, selbst die nötigen Schritte zu dieser Art der Versorgung zu thun vder sich von Dritten verheiraten zu lassen; die eiuen weigern sich empört, im Abwarten ihren Berns zn erblicken, und tragen diesen Stolz in abstoßender Weise zur Schein, und andre, über solche Kleinigkeiten erhaben, heiraten nur deshalb nicht, weil eben die Mäuuer uicht heiraten. Bei vielen Frauen setzt sich der Apparat der Pflichterfüllung erst in Bewegung, wenn sie eine erwachsene Tochter im Hause haben. Ein Lebenszweck wnrde der Heranwachsenden entweder gar nicht oder nur in Gestalt des zukünftigen Gatten gezeigt. Von den Kindern spricht man nicht, uud ob das Mädcheu die nötigen Fähigkeiten besitzt oder erwirbt, um Mauu und Kinder glücklich zu machen uud es mit ihnen zu werdeu, wird erst überlegt, wenn kein Überlegen mehr etwas hilft. Es gelingt diesen Müttern, entweder schnell oder nachdem sie ihre Ansprüche nin einige Grade herab­geschraubt habeu, ihr Kindglücklich" zu versorgen, uud der Schaden, den sie damit unter den übrigen Mädchen und unter denen von den ins Auge gefaßten Männern anrichten, die ihre Töchter nicht geheiratet haben, kümmert sie ebenso wenig, wie der des eignen Kindes. Ein Mädchen, das solche Dinge sehend und hörend miterlebt, verliert alle Unbefangenheit und leidet bewußt oder unbewußt darunter; die Männer aber bekommen nach einigen derartigen Erfahrungen ein verzeihliches Grauen vor heiratsfähigen Töchtern und deren Müttern, das sie mit der Zeit auf die Ehe selbst übertragen. Es trifft also viel Schuld die Mütter, und den Leichtsinn, mit dem sie so ernste Dinge behandeln, haben wieder oft die Gatten uud Väter auf dem Gewissen. Zu häufig vertritt in der Familie der Mann einzig und allein die Theorie, die Frau einzig und allein die Praxis. Sie vergessen, daß die Ehe uicht ein Neben-, sondern ein Miteinandergehen sein soll, und daß die Ergänzung, von der zwischen Ehelenten so oft die Rede ist, bei der Erziehung der Kinder eine besonders wichtige Rolle spielt. Es müßte wohl zunächst ein Geschlecht von Eltern erzogen werden, die sich bewußt sind, daß auch sie wieder Eltern, ge- suud an Leib uud Seele, zu erziehen haben, und dieses Bewußtsein dürfte dann uicht wieder einschlafen.

Die strenge Trennung der Gesichtspunkte, von denen aus die Erziehung und Ausbildung der Knaben und die der Mädchen geleitet wird, muß fallen. Erwerbsthätigkeit und Stellung im öffentlichen Leben auf der einen, Hans nnd Familie auf der auderu Seite werdeu und müssen zwar immer das eigentliche Gebiet hier der Frau und dort des Mannes bleiben, aber sie dürfen nicht ausschließlich dem einen vder dem andern Geschlechte zugewiesen werden. Der Beruf darf beim Maune nicht alles Interesse verschlinge»; er hat Aufmerksam­keit, Fürsorge uud Zeit auch seinem Haus und seiner Familie zu widmen, wenn der richtige, segenbriugende Geist dort herrscheu soll. Eltern, die dies