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Talleyrands Memoiren
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Talleyrands Memoiren

Diese deutsche Ausgabe hat übrigens besondre Merkwürdigkeiten an sich. Die Vcrlagshaudluug hat es für uötig gefunden, der Vorrede des Heraus­gebers der Memoiren noch eine eigne vorauszuschicken, die den Leser ermähnt, nie zu vergessen, daß der Verfasser ein Franzose war, und daraus seine feind­selige Gesinnung gegen Preußen zu erklären, und die ferner versichert, daß Professor Ebeling vor allen berufe» gewesen sei, die Memoiren zu übersetzen. Erscheint auch diese Vorrede auf den ersten Blick höchst überflüssig, so entdeckt man doch beim Lesen des Werkes selbst ihre Bedeutung. Anstatt derAni­mosität" gegen Preußen finden wir nämlich zu unsrer Überraschung wiederholt Äußerungen der Teilnahme an dem Schicksal des Landes und der Verehrung für die Königin Luise. Nach dem Tilsiter Frieden wird Talleyrnnd beauf­tragt,mit den preußischen Bevollmächtigten, den beiden Grafen von Kalkreuth und von der Goltz, nicht zu unterhandeln, sondern ihnen einfach die Gebiets­abtretungen mitzuteilen, die Napoleon und Alexander Preußen auferlegt hatten, das sich leider fügen mußte." Diese Stelle klingt so auffallend, daß man sie im Originale nachlesen möchte, und siehe da! die durchschosseu gesetzten Worte fehlen dort gänzlich. Hierdurch aufmerksam geworden vergleicht man weiter und findet eine ganze Reihe von Stellen, wo dem Franzosen Ansichten oder Empfindungen eines Preußen in den Muud gelegt worden sind!

Über eiu solches Verfahren braucht wohl kein Wort verloren zu werden. Es weist aber sehr bestimmt auf eine bedenkliche Seite der bestehenden Verträge über geistiges Eigentum hin. Was hier geschehen ist, kaun auch bei wichtigcrem vorkommen. Wir erinnern uns eines Falles förmlicher Fälschung. Von Cesare Cantns Ltorm univör8icko erschien in der Schweiz eine deutsche Über­setzung alsWeltgeschichte für das katholische Volk." Nun ist Cantn zwar eiu strenger Katholik, urteilt aber als italienischer Patriot über das Papsttum mit einer Unbefangenheit, die dem Herausgeberfür das (deutsche) katholische Volk" anstößig erschien, und so wurdeu seine Aussprüche schlankweg in ihr Gegenteil verkehrt. Die italienischen Zeitungen legten dagegen Verwahrung ein, erreichten jedoch damit nur eine Änderung des Titels der spätern Bände des Werkes. Und es braucht nicht immer mit Absicht das Wort des Ver­fassers verdreht zu werden, die antorisirte Übersetzung einer wissenschaftlichen Arbeit kann von einem Manne besorgt werden, der nicht die nötigen Kenntnisse dazu hat. Oder deukeu wir uns beispielsweise, Burns uud Bhron, Dichter, zu deren vollem Genusse eine nicht gewöhnliche Beherrschung des Englischen erforderlich ist, lebten heute, ein spekulativer Verleger erwürbe das Verlagsrecht und ließe die Übcrtraguug ihrer Dichtungen von einem Stümper ausführen, dauu dürfte keine bessere veröffentlicht werden- Daß der Freibeuterei ein Ende gemacht worden ist, haben wir nicht zn beklagen, obwohl Deutschland dabei benachteiligt ist, denn was sich Franzosen und Engländer von deutscher Litteratur nueiguen, ist geringfügig gegen die Entlehnungen unserseits. Aber die Ver-