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Thermidor
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Zwei Nekrologe

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Seite aufzufassen, hat sich als ein gewöhnliches Rührstück entpuppt, worin nicht die Kunst einer kraftvollen Charakteristik, einer feinen Zergliederung menschlicher Seelenregnngen, sondern nur der blinde Zufall die Herrschaft führt. Uns Deutschen bietet es weder in seinein politisch-historischen Inhalte, uoch iu seinem ästhetischen Werte den geringsten Anlaß zu erregte» Erörterungen, und wenn wir uns durchaus ärgern wollen, so Ware es höchstens darüber, daß ein deutscher Theaterdirektor es gewagt hat, uns diese blutige Komödie vorzugaukeln.

Zwei Nekrologe

ekrvloge über Lebendigbegrnbene und über fortlebende Tote, das ist die Signatur unsrermäuuerwürgenden" Zeit. Wem haben wir schon alles das Abschiedslied und die Totenklage gesungen! Das Gehen und .Kommen, das dieneue Ära" bedingte, voll­zieht sich entweder zu rasch oder zu langsam, denn seit Fürst BiSmarck scheiden mußte, lag ja klar zu Tage, daß die Sterue zweiter Ordnung, die um ihn her gekreist waren, uicht mit eignem Lichte geleuchtet hatten. Sie mußten einer nach dem andern erlöschen, früher oder später, je nach der ihnen innewohnenden Fähigkeit, das Licht, das sie empfangen hatten, mit größerer oder geringerer Sparsamkeit von sich zu geben. Der Augenblick, wo sie zu leuchten aufhören mußten, hätte sich von einem Astronomen der Seelen- knnde auf Tag nnd Stunde vorausberechne» lassen. Wie singt doch Beranger?

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Die Ltoils8 0M lilvnt sind wieder nm eine vermehrt worden. Herr von Goßler hat seinen Posten aufgeben müssen, scheinbar das Opfer das letzte des klugen Führers des Zentrums mit dem untrüglichen Gedächtnis für politische Gegnerschaft, in Wirklichkeit auch er ein Opfer des 18. März 1890, obgleich gerade ihm von allen Ministern der Ära Bismarck damals das günstigste Prognostikon gestellt wurde.

Der thatsächliche Zusammenhang der Ereignisse, die in letzter Stunde dem Minister selbst überraschend den Ausschlag gegeben haben, ist ja bekannt. Das Staatsministerinm hielt in der Frage der Besetzung des Unterstaats- sekretarints im Kultusministerium die Abneigung des Zentrums für beachtens-