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wechselnde» Beleuchtung, seinen Stürmen und seinen Wellen, „die meeresschwarz und weißköpfig in das Land rollen wie sagenhafte Meeresungeheucr," von den verwetterten und gefnrchteten Felsen, die wie tausend Fenerherde aus dem Meere emporsteigen, trotz der klaren Seeluft und der frischen, reinen Vergluft, die der Dichter nicht müde wird zu preisen, wird man doch in dem ganzen Nomcm das Gefühl nicht los, als sei man von grauem, dunstigem Seenebel umgeben, oder als befinde man sich in einer muffigen, kaum gelüfteten Schul- oder Bauernstube, als wehe einem thranigcr Fischgeruch und kalter Tabaksanalm um die Nase. Kalt und thranig sind auch die Menschen, die nns Björnson in „Nagni" vorführt. Um uns ganz für seine psychologischen Entwicklungen gefangen zu nehmen, pflegt er seinen Personen leine körperlichen Reize zu verleihen; im Gegenteil er scheint seinen Helden absichtlich soviel wie möglich äußere Mängel oder Unschönheiten anzudichtein rote Haare, Sommersprossen auf Gesicht und Händen, blinzelnde Augen, abfallende Schnltern u. f. w.; so ähnlich sieht Thomas Nendalen aus, so ähnlich auch Nagni.
Der Roman ist eigentlich mit Unrecht nach ihr genannt, denn sie greift erst später mittelbar in die Handlung ein und spricht im ganzen Buch kaum hundert Worte. Die Hauptpersonen sind Eduard Kaltem, ein Kaufmannssohn, und Ole Tust, ein Bauernsohn. „Ole Tust war der Sohu eines wohlhabenden Bauern, draußen vom Strande, das einzige Kind. Sein Vater, der vor sl. seitj einein Jahr gestorben war, war der angesehenste Laieuprediger im Westlande gewesen uud hatte sciueu Sohn schon von früh auf zum Pfarrer bestimmt, weshalb dieser jetzt die Lateinschule besuchte. Ole war begabt und fleißig und seinen Lehrern gegenüber so ehrfnrchtsvoll, daß er ihr erklärter Liebling wurde."
Mit großer Weitschweifigkeit uud pathetischen Gedanlenflügen, die zu der alltäglichen Handlung und zu den spießbürgerlichen Menschen in keinem Verhältnis stehen, und mit geheimnisvollen Andeutungen schildert der Dichter die Tugend beider Knaben, ihre Schuljahre, ihre dummen Streiche uud ihre Lebens- Plüne. Auf Ole Tust ist der bäurische pietistische Geist seiner Familie übergegangen. Schon als Knabe pflegt er ein durch Trunksucht heruntergekommenes Weib, um sich in solcher Dienstbarkeit für den Missionarberuf vorzubereiten; er liest die religiösen Traktate der Laienprediger mit derselben Begeisterung wie der wilde aber gutherzige Eduard Kallem die „Drei Musketiere." In „Thomas Nendalen" hat uns Björnson eine allerdings oft ans Läppische streifende Schilderung von dem Leben und Treiben in einer Mädchenschule gegeben und die vier Backfische: die blonde Milla, die branne Thora, die breite Tinla und die schmale Nora mit Humor gezeichnet mit ihren Albernheiten, ihren Emanzipationsbestrebungen und ihrem heiligen, leider bald gebrochnen Eide, nur einem keuschen Manne dereinst die Hand zu reichen. In „Nagni" läßt uns der Dichter einen flüchtigen Blick in eine norwegische Knabenschule thun, uud in Erziehungsfragen verraten seine Bemerkungen oft eine feine Ve-