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andern Triebe überwiegt. Durch die Schnle zwingen wir dann die Kinder zur Trägheit, sodaß sie die Neigung zu Krciftanstrengungen allmählich verlieren, und das lahmt danu auch die geistige und die sittliche Kraft. In einer Bevölkerungsschicht allerdings, deren Arbeiten zum Teil mit großen körperlichem Unannehmlichkeiten verbunden sind und keine innere Befriedigung gewähreu, konnte das Ideal der zweistündigen Arbeitszeit sehr leicht entstehen. Aber der vollkommen gesunde Mensch empfindet meistens das Bedürfnis einer regelmäßigen angestrengten Thätigkeit, und wir Deutschen, in denen das Pflichtgefühl gepflegt worden ist, verlangen sogar nach einer Berufsthätigkeit; wir wollen das Bewußtsein haben, daß wir als Glieder eines größern Ganzen und für dieses Ganze arbeiten, und haben bei einem ot-win oum äiAmwtö, wenn wir es auch mit freiwilligen Beschäftiguugeu ausfüllen, eiu schlechtes Gewissen. Daß ungezügelter Thätigkeitsdrang Unheil anrichtet, daß hochbetagte Beamte durchaus nicht iu den Ruhestand treten wollen, nicht aus Furcht vor der kleinen Pension, sondern aus Furcht vor der Unthätigkeit, ist gar nichts Seltenes. Volkswirtschaftlich würde allgemeine Abkürzung der Arbeitszeit bei dem heutigen Stande der Maschinentechnik möglich sein; aber als Bedingung der Glückseligkeit bildet sie eiuen der gröbsten Fehler des sozialdemokratischen Glückseligkeitsideals.
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Grübeln Nur nicht weiter über den Zusammenhang zwischen Glückseligkeit und geistig-sittlicher Vollkommenheit, der in seinen Wirkungen von jeher offenbar war, während seine Wurzel, wie die Wurzel alles Daseins, dem Auge des Forschers hienieden verborgen bleibt. Nur dieses eine müssen wir uns auch hier wieder klar machen, daß der Weltzweck in den einzelnen Menscheu- seeleu aller Zeiten liegt, also jeder Geschlechtsfolge gegenwärtig und nicht etwa in einer unendlich fernen Zukunft zu suchen ist. Wie viele Seelen auch noch mögen dazu erfordert werde», den uns unbekannten Weltplan auszubauen, und wie reich auch die zukünftige Gestalt der Gesellschaft an neuen, schöneren Formen fein mag. den einzelnen jetzt lebenden Menschen berührt das nicht, er hat seinen Anteil am Weltzweck in der eignen Brnst. „Was könnte es heißen — fagt Herder in seinen Ideen zur Geschichte der Menschheit — daß der Mensch zu einem unendlichen Wachstum seiner Seelenkräfte, zu einer fortgehenden Ausbreitung seiner Empfindungen und Wirkungen, ja gar, daß er für den Staat als das Ziel seines Geschlechts, und alle Generationen desselben eigentlich nur für die letzte Generation gemacht seien, die auf dem zerfallenen Gerüst der Glückseligkeit aller vorhergehenden throne?" Wir könnten dieses ganze Kapitel mit der Einladung znm Fortlesen in Herders unsterblichem Buche erledige», wenn nicht die Thorheiten, die er widerlegt hat, seit seinen Tagen erst recht mit fanatischer Hartnäckigkeit und in immer ueuen Einkleidungen gepredigt worden wären. Abgesehen von der Unvereinbarkeit solcher Fort-