Geschichtsphilosophische Gedanken
aus sich selber schöpfen mußte. Da wir min kein andres Mittel haben, Gottes Absichten zu erraten, als einen Blick in unsre eigne Seele, die als das höchste der uns bekannten Geschöpfe Gottes auch der vollkommenste Spiegel seines Wesens sein, muß, so werden wir mit aller Gelehrsamkeit niemals einen wahrscheinlicheren Zweck finden, als den, den Schiller in einem seiner Jngendgedichte mit den Worten ausgedrückt hat:
FrenndlvS war der große Weltenmeister, Fühlte Mangel, darum schuf er Geister,
Sel'ge Spiegel seiner Seligkeit! Fand das höchste Wesen schon kein Gleiches, Ans dem ,^elch des ganzen SeelenrelcheS
Schäumt ihm die Unendlichkeit.
Gegen die Mißdeutung, die Hegel diesen göttlichen Versen gegeben hat, werde ich mich später auszusprcchen Gelegenheit haben. Die Theologen mm allerdings habeu es unzulässig gefnnden, in dem höchsten und vollkommensten Wesen so etwas wie Mangel, Bedürfnis und Sehnsucht anzunehmen, und habeu die Selbstverherrlichung Gottes als Schöpfuugszweck ausgestellt. Ich gehe auf die endlosen theologischen und philosophischen Streitigkeiten über diesen Gegenstaud nicht ein, sondern bemerke mir, daß der schlichte Sinn des unverdorbene,! Menschen, in Übereinstimmung mit dein Nenen Testamente, keinen höhern Beweggrund menschlichen Handelns kennt, als uneigennützige Liebe, daß daher auch kein besserer Beweggrund znr Erschaffung der Welt gefnnden werden tan», als der Wille Gottes, Wesen zn haben, die er an seiner Seligkeit könne teilnehmen lassen. Und wenn im Nenen Testament die Erlösung als ein Werk der Liebe erscheint, wie sollte die Schöpfung einen andern Ursprung haben? Daß der vollkommenste Trinmph der Liebe Gottes zugleich seine höchste Selbstverherrlichnng sein würde, versteht sich ja von selbst. Eben deshalb können wir die Selbstverherrlichnng Gottes nicht so fassen, wie die strenge Prädestinativnslehre es thut, nach der Gott die Guten geschaffen hätte, um in ihrer ewigen Seligkeit seine Liebe, und die Bösen, nm in ihren ewigen Qualen seine Gerechtigkeit zn verherrlichen. Fichte hat den richtigen Moralgrundsat, aufgestellt, daß wir niemals einen andern Menschen lediglich als Werkzeng für unsre persönlichen Zwecke behandeln dürfen. Gegen diesen Moralgrnndsatz würde jene Art Selbstverherrlichnng verstoßen, nnd einen Gott, der weniger moralisch wäre als gute Menschen, können wir uns doch nicht denken. Wäre er so, so würden wir ihn weder lieben »och achten. Obwohl wir daher in den Sinn des Unendlichen nicht einzudringen nnd den Zweck seiner Schöpfung nicht zu ergründen vermögen, so steht uns doch von vornherein fest, daß die Seligkeit der Geschöpfe, weun auch vielleicht uicht der ^eltzweck selbst, so doch in diesen Zweck eingeschlossen sein muß. Grenzbvten I 18S1 57