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Gcschichtsphilc>sophischc Gedanken
licher Stoff gesammelt ivorden war, habe» philosophische Geschichtsschreiber wie Ranke, Buckle, Taine, Eicken einzelne geschichtsphilosvphische Gedanken zil Tage gefördert, die mehr wert sind, als die aninaßlich auftretenden vollständigen Geschichtsphilvsophieen, und je reichlicher sich täglich der geschichtliche Stoff häuft, desto leichter wird es, solche Gedanken daraus zu gewinnen, die gewiß nicht ohne Nutzen für das Leben sind; denn je richtiger wir den Sinn der Weltgeschichte erraten, desto besser vermögen wir in diesem Sinne zn schassen.
Mit dein Verstände haben wir deu Znsammenhang der Ereignisse erfaßt, wenn wir jedes spätere als Folge oder Wirkung eines oder mehrerer frühern verstehen. Vernünftig aber finden wir die Geschichte erst dann, weuu sich alle Verändernngen als Mittel znr Erreichung eines Zwecks rechtfertigen, der allgemeine Billigung beanspruchen kann. Den höchsten Weltzweck auf dem Wege der wisseuschaftlicheu Forschung ergründen z» wollen, wäre Vermessenheit; gehört doch ein ganz überspannter Hochmut dazu, sich einzubilden, man könne dem Wesen, das vor der Welt war und den Weltzweck gesetzt haben muß, mit dem Mikroskop oder mit Grübeln beikvmmen. Aber die Eigenschaften und Absichten dieses Wesens spiegeln sich ohne Zweifel in der Schöpfnng, in uuS selbst, die wir den vornehmste» Teil der uns bekannten Schöpfnng bilden, und wenn wir die einzelnen abgespiegelten Züge sammeln, so gewinnen wir die Ahnung eines Gesamtbildes. Vollkvmmner und reiner, als eS die christliche Offenbarung gewährt, wird dieses Gebilde gläubiger und hoffnungsvoller Ahnuugeu keinem einzelnen Denker gelingen. Aber trotzdem hören wir nicht ans, Beobachtungen zn sammelu und sie denkend und dichtend zu verknüpfen, weil es einerseits Bedürfnis der Vernunft ist, durch eigne Wahrnehmung das bestätigt zu finden, was sie ans der Offenbarung vernommen hat, und weil anderseits die täglich mehr anschwellende Erfahrung Gelegenheit darbietet, das ursprünglich noch undentliche und unbestimmte Bild mit immer genaueren Zügen auszustatten.
Auch ohne jede Beihilfe der Offenbarnng würden wir durch Nachdenken zu dein Ergebnis gelangen, daß jenes Wesen, das den Weltzweck setzt, ein bewußter Geist sein müsse. Nur ein bewußter Geist kann einen Zweck setzen. Wollten wir auch das Hervorgehe» der Welt aus eiuem uubewußteu Wesen für möglich halten, so würden wir doch iu diesem Falle auf die Annahme eines Weltzwecks und eines vernünftigen Znsammenhangs der Begebenheiten verzichten müssen. Alles, was da ist und geschieht, wäre dann ein Werk des blinden Zufalls, ein zweck- und sinnloses Gewirr. Das einzige, was für einen jeden Sin» hätte, wäre sein eignes augenblickliches Wohlbefinden, nud sich nm etwas zu kümmern, was darüber hinansläge, wäre Unsinn; es gäbe weder Philosophie, noch Geschichte, »och Philosophie der Geschichte. Wenn ich mich recht erinnere, ist es Clemens Alexandrinns, der die heidnischen Religionen jenen ägyptischen Tempeln vergleicht, in deren innerstem Heiligtum mau »ach Durchschreituug der großartigen Pylonen und prachtvollen Säle nichts sand als eine Katze,