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kundigen, der gewissenhafte Lehrer, obwohl er natürlich anch so ein Urteil über den betreffenden Schiller hat, doch sein Notizbuch befragt, nin genanen Bescheid geben zn Rinnen. Denn er kann doch unmöglich, besonders bei überfüllten Klassen, immer genau im Kopfe haben, wie die schriftlichen Arbeiten des Schillers ausgefallen sind, wie er gewohnlich übersetzt und was er sonst geleistet hat. Das alleS aber ist doch bei der Frage der Versetzung, nach der sich der Vater erkundigcu will, mit ius Auge zu fassen. Ist es nicht komisch, daß selbst solche Dinge dem Lehrer zum Vorwurf gemacht werden?
Freilich, es ist eine sehr dankbare Aufgabe, gegen die armen „Gymnasial- philolvgeu" loszuziehen, das liebe Publikum hält natürlich alles für bare Münze. Jeder hat mit dem oder jenem Lehrer irgend einmal eine trübe Erfahrung gemacht, und das Unrecht war dabei natürlich stets allein ans der Seite des Lehrers; der Herr Sohn hat es ja selbst so erzählt!
Man wolle mir verzeihen, daß ich warm geworden bin. Aber so kränkende Vorwürfe, wie sie jener Aufsatz wieder erhoben hat, Vorwürfe, die, wie ich gern zugeben null, nicht auf Böswilligkeit, aber sicher auf vollständiger Unkenntnis der Verhältnisse beruheil und doch überall Zustimmung finden, müssen mit Entschiedenheit zurückgewiesen werden. R L
Litteratur
Gcschichtsel, MiswersinudeueS und Mißverständliches nus der Geschichte, gesammelt und erklärt vvn Simon Widmann. Paderboru, Schimiugh
Das Wort Geschichtsel ist wie so mancher bezeichnende Ausdruck eine Erfindung Fr. L. Jahus, und bedeutete ihn: „Dichtgeschichteu und Falschgeschichten," also Erdichtetes uud Verfälschtes. Welcheu Ballast vou falschen Nachrichten die Weltgeschichte von altersher mitschleppt, nnd wie der Tag die vvn der Forschung gerissenen Lücken in solcher Schwärzerware immer aufs nene ausfüllt, ist bekannt, aber ein Katalog fehlte bisher. Der Versuch, ein recht eigentlich schwarzes Buch der Geschichtschreibung anzulegen, muß daher als sehr löblich bezeichnet werden. Daß es nicht ans den ersten Wurf ganz vollständig ausfallen konnte, ist selbstverständlich, nnd der Verfasser täuscht sich darüber nicht, bittet vielmehr um „Winke, Berichtigungen, Beiträge." Er hat den Begriff weit gefaßt. Neben absichtlichen Erfindungen uud Entstellungen berücksichtigt er die vielen etymologischen Kunststücke, die ohne rechte Kenntnis der Sprachen, der Geschichte, der Sitten, oft nur nm einer vorgefaßten Meinung, einer Liebliugsphautasie zn schmeicheln, ausgeführt worden sind, die Schöpfungen der Sage, die allmählichen Veränderungen, die ein Wort im Vvlksmnnde erfährt, nnd die zn einem ganz andern, als dem ursprünglichen Sinne führen, die unrichtigen Vorstellungen, die sich an Bezeichnungen aus fremden Sprachen knüpfen u. s. w. Auch deu „Setzerkvbold" klagt er au, und der rächt sich sofort ans derselben Seite (19), indem er das „Münchner Kindi," das bekanntlich ein Mönch ist, „ein (anstatt »im«) Münchner Stadtwappen" halten läßt, und bei Erwähnung des Frankfnrter Doms das Hauptwort verschluckt. Was werden aber die Freisinnigen dazn sagen, daß Seite 205 „deutsche Zuuft (statt Zucht) und Sitte" in Gegensatz zu „französischer Unzucht nnd Unsitte" gebracht ist?