Beitrag 
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Seite
283
Einzelbild herunterladen
 

28!!

sind des Verfassers vorgeschlagene Maßregeln über die Strafbarkeit der Ver­schleppung ansteckender Krankheiten und über die möglichste Zurückhaltung der jnugen Mütter im Wochenbett.

Dies die Vorschläge zur Bekämpfung der Ehelosigkeit und der unehelichen Geburten und znr Förderung der Eheschließnngen uud der ehelichen Geburten. Der Verfasser kommt nnn zu den Mitteln, durch die seiner Ansicht nach der großen Kindersterblichkeit und der Sterblichkeit überhaupt vorzubeugen wäre. Sem Haupt­gedanke ist hier, die bedürftigen Frnueu während der letzten Monate der Schwaugerschaft in staatlichen Auftakte» aufzuuehmen und sie zur Ernährung ihrer Kinder nach der Entbindnng längere Zeit darin zurückzubehalten. Dieser Wunsch ließe sich vielleicht verwirklichen, jedoch uur mit enormen Opfern, zumal da der Verfasser siir die so vom Verdienst abgehalteneu Frauen staatliche Entschädigung verlangt. Um die Sterblichkeilsziffer herabzudrücken, will Lagnccm den Zuzug der Landbevölkerung in die Städte dnrch Vermindernug der städtischen Ämter be­kämpfen. Man wird wohl bezweifeln dürfen, ob dies Mittel wirklich Erfolg ver­spricht. Im allgemeinen betont dann der Verfasser noch die Notwendigkeit ge­sunder Wohn- uud Arveitsräume uud die Vorteilhaftigkeit der Feldlager au Stelle der Kasernen uud führt endlich rein volksnnrtschaftlich-theoretisch ans: um den Wohlstand uud damit die Bevölkernng des Landes zu heben, müßten ueue In­dustrien geschaffen werden. Merkwürdig leicht nimmt er die starke Znwanderung fremder Elemente, er verlangt uur dereu möglichst schleunige Nntioualisirung.

Dies sind im wesentlichen die Ausführungen des französischen Arztes. Mail muß ihm zugestehen, daß er dein Gegenstände manche ueue Seite abzu­gewinnen gewußt hat, und einige seiner Borschläge verdienen mehr als bloße theoretische Erörternug. Ob man aber von der Durchführung seiner Maßregeln dauernden Erfolg hoffen dürfte? Wir glauben eS nicht, uud der Verfasser selbst Wohl auch kaum. Staatliche Maßregeln haben dem Vevölkeruugswechsel noch nie eiu wesentlich andres Gepräge gegeben. Der Staat kann höchstens aufmunternd wirken, aus dem Volke heraus aber muß der Umschwung in den Anschauungeu uud Gewohnheiten erfolgen, nnd dazu ist gegenwärtig in Frankreich wenig Aussicht.

Tolstoi nnd die moderue Gesellschaft. Im neuesten Hefte der Preußischen Jahrbücher" lesen wir einen Artikel aus der Feder O. Harnacks Tolstoi in Deutschland," der die Aufnahme der letzten Veröffentlichungen des ge­feierten russischen Schriftstellers, des DramasDie Macht der Finsternis," der ErzählungDie Kreutzersvuate" uud des BüchleinsÜber das Leben" einer Be­trachtung unterzieht, die den Nagel auf den .Kopf trifft. Der Verfasser hebt hervor, daß es die Tendenz gewesen sei, die den genannten Werken den Weg gebahnt habe, daßman nicht deu Dichter, sondern den Prediger gesucht nnd angehört" habe. Ein Mann von dem Ernste des Grafen Tolstoi aber wolle uicht Beifall hören, sondern die Frucht seiner Rede sehen.Und kaun er, der Astet, der die Gesellschaft bald auf deu Standpunkt des russischem Baueru, bald auf deu des orientalische» Eremiten zurückschrauben will, hoffen solche Frucht inmitten des reichen uud übergewaltigen Lebens der maßgebenden Kulturvölker kommen zu seheu? Das leidenschaftliche Interesse, das mau ihm entgegenbringt, hat ihn iu eine Reihe mit den Skandinaviern uud Franzosen gesetzt, die als der Ausdruck der modernsten Lebens- und Menschenbetrachtnng gefeiert werden nichts kann dem, was Tolstoi verlangt nnd bedeutet, mehr entgegengesetzt sein. Wir meinen, daß die Mehrzahl derer, die sich von diesen Werken Tolstois angezogen fühlten, durch jene krankhafte