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Aber nichts von alledem half. Sie fuhren fort, sich um ihn zu reißen, diese beiden, und er hätte gern alles hingegeben, was er besaß, nur um Ruhe zu bekoinmeu. Er trug sich immer mit dem heimlichen Gefühl, daß er das, was er dem einen gab, dem andern wegnehme, und daran war der Narr schuld. Deshalb beschloß er mit diesem zu brechen; er wollte ihm ganz einfach davonreiscn lind Rettung bei dem Skeptiker suchen.
Dieser sehr weise Beschluß wurde mit einer Überstürzung ins Werk gesetzt, als gälte es sich vor einem Erdbeben zu retten. Er verkaufte sein Haus, versteigerte seine Wirtschaft und kaufte sich eine Leibrcute. Ju Lund konutc er nicht bleiben, denn jeder mittellose Student war eine „Schlinge" — ja überhaupt jeder Student, der sich „zufällig" iu Verlegenheit befaud. Und die Straßen wimmelten von solchen.
Nach Stockholm kam er an einem rauhen Dczembermorgen, während die Stadt dalag und schlief. Es war ihm ein Genuß, daß alles so fremd, so kalt anssah. Hier hoffte er Ruhe zu haben. Seine Bücher und seine Musik sollten seine Welt werden; dem Studenteugesang gab er den Laufpaß, hier hatte er die große Oper.
Und nun war es Herrn Tobiassen auf der Jagd nach Wohnung geglückt, ciu paar möblirte Zimmer zu finden, die allen andern, die er besehen hatte, ganz unähnlich waren. Er hatte nur den Wunsch ausgesprochen, im Wohnzimmer eine Chaiselongue zu haben, und eine Chaiselongue Wurde augeschafft.
Die Wirtin war eine freundliche Frau, schrecklich besorgt, daß Herr Tobiassen unzufrieden sein und ausziehen könnte. In seiner jetzigen Gemütsstimmung that ihm diese Unterwürfigkeit gut, denn sie bewirkte, daß er sich als ein hartherziger alter Mann fühlte, der sich um nichts andres, als um seine eigne Bequemlichkeit kümmerte. Er versäumte nun keine Gelegenheit, sich als solcher zu zeigen. Dem alten Leben mußte ein Ende gemacht werden — schlechterdings!
Er fürchtete sich formlich davor, Interesse für seine Wirtsleutc zu bekommen. Aber jetzt, während er dastand und sein frisch rasirtes Gesicht betrachtete, jetzt lag die Geschichte dieser Menschen so klar vor seinem Geiste, wie ein aufgeschlagenes Buch. Sie war ihm kund geworden, Brocken um Brocken, vhne daß sie selbst es ahnten. Er hatte alles aus aufgeschuappteu Worten der Fran, des Mädchens, der Kinder herausbekommen, ja selbst aus den Möbeln, die er betrachtete. Denn gegen seinen Willen war Herr Tobiassen ein sehr geweckter nnd sehr neugieriger alter Herr.
Er wußte, daß die zwei ein gemütliches kleines Heim gehabt, das sie sich selbst geschaffen hatten, sie als Näherin, er als Handlungsdiener. Nachdem sie sich verheiratet und ein Geschäft begvnuen hatten, war ihnen alles geglückt, bis eine Krisis kam und der Mann auf Bürgschaftsverbindlichkeiten alles verlor, was sie zusammengespart hatten. Nun galt es, von neuem anzufangen,