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Christentum« gegenüber eingenommen hat. wie sie uns in der von Th. Böget gemachten Zusammenstellung von Goethes Selbstzengnissen über seine Stellung zur Religion und zu religiös kirchlichen Fragen u. s. w. (Leipzig, 1888) entgegentritt. Man erkennt aus der Henkelschen Sammlnng immer wieder von nenem, eine wie tiefe Ehrfurcht Goethe vor dem Buche der Bücher gehabt hat, und wie sehr er in der Schrift bewandert war. Schon in den Gesprächen mit Eckermann nimmt der Dichter oft Anlast, sich über das Christentum zu äußern. Als Ergänzung dieser Äußerungen fügen Nur eine Mitteilung hinzu, die die Frau August Goethes dem Dr. O. Mejer, einem Freuude des jungen Wolf Goethe, bei einem Besuche machte: Es war. schreibt Mejer (Wolf Goethe/ Ein Gedenkblatt. Weimar, 1389. S. 10), das Goethewort erwähnt worden, daß das Christentum eine Kraft sei, au der die krankende Zeit sich immer wieder gesund lebe, uud das Gespräch, in welchen« der Alte den Lehrpunkt von der Gnade auseinandersetzt. So sei er auch einmal, erzählte sie, ans die Herrlichkeit Christi zu redeu gekommen uud habe sie immer ernster, immer feuriger, mit immer wachsender Rnhruug gepriesen, bis er in einen Thräueustrom nusbrecheud lunansgegange» sei. Man wird sich also wohl hüten müssen, den größten Dichter der Deutsche» für einen „Heiden" auszugeben. Freilich hat er ab uud zu. vielleicht in Nnmut und gereizt durch Angriffe von Heißspornen. Äußerungen hingeworfen, die den Vorwnrf einer feindlichen Stimmnng gegen das Christentum rechtfertigen könnten. Betrachtet mau aber den Dichter im gauzeu. so wird man anerkennen müssen, daß er für die weltgeschichtliche Bedeutung des Christentums ein tiefes Verständnis hatte. Insbesondre zog ihn, wie wir ans dem Büchlein erkennen, das Alte Testament an (S. 1—50), die Zitate aus dein Neuen stillen die Seiten 50 bis 84. Allen Freunden Goethischer Dichtimg wird die Schrift Henkels höchst willkommen fein.
Ludwig Richters Leben. Dein deutschen Volke erzählt von i>>'. Hermnil» verlach.
Dresden, O. Brnndner
Das Lebe» des »»vergeblichen Meisters ist gewiß ein Stoff für ein wahres Volksbuch. Ein solches kann das vvu dein Sohne herausgegebene Werk aus ver- schiednen Gründen nicht werden, anch nicht, wenn — was nur immer gewünscht haben, nnd nun, da der Heransgeber gestorben ist, als möglich betrachten — sowohl das Bnch als die etwa noch nicht benutzteu Aufzeichnungen nnd Briefe einer geschickten nnd vorsichtigen Hand zu neuer Bearbeitung anvertraut würden. Dnrch bessere Anordnung könnte dnS Bnch sehr gewinnen, für die weitesten Kreise dürfte es jedoch immer in manchem Sinne zn hoch bleiben. Der Gedanke, eine Auswahl des Inhaltes in eiue populäre Form zu gießen, war daher gut, allein nur können nicht sagen, daß die Ansführuug ganz gelungen sei. Der Bearbeiter hat unsers Erachten» für den Zweck zu wenig gesichtet. Es ist ganz begreiflich, daß da das rechte Maß nicht leicht einzuhalten war, wo fast aus jeder Zeile uns das milde, geistvolle Autlitz Nichters anblickt. Aber wer imstande ist, sich völlig in seine menschliche und künstlerische Seele hineiuzudcuken, für den bedarf es eines Auszuges nicht, der ist auf das Original zn verweisen. Und vieles von der Kleinmalerei in der Erzählung seiner Jugend verliert das Anziehende, wenn eS nicht mit seinen Worten wiedergegeben wird, nnd dasselbe gilt anch von manchen spätern Erlebnissen. Die eignen Zuthaten t>r. Gerlachs sind mitunter von recht fraglichem Werte.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig