^>74 Z" Stöckers Entlassung
svuen der Gewinnung andrer, nn sich weniger zuverlässiger Elemente im Wege seien.
Sonstige Gründe lassen sich nur so weniger ausfindig machen, je mehr man in die Tiefe geht, ohne sich von dein Schein der Dinge beirren zu lassen. Abgesehen von dem berührten Gegensatze ans dem kirchenpvlitischen Gebiete — nicht nuf dem des Bekenntnisses selbst, wo er nicht besteht — ist ein wesentlicher Unterschied zwischen der kaiserlichen Politik und den Bestrebungen, die sich um den Namen Stvcker gruppireu, iu der That nicht zu erkennen. Die Forderungen, die den Inhalt der Erlasse vom 4. Februar d. I. ausmachen, sind iu deu „christlich-sozialen" Versammlungen Stöckers und anderswo seit langen Jahren vertreten worden; in der Kolonialpolitik, wie überall, wo nationale Interessen in Frage kommen, hat sich Stöcker, wie selbst seine entschiedensten Gegner nicht in Abrede stellen, stets zu Kaiser uud Reich gehalten. Für die leitenden Grundsätze der gegenwärtigen Steuerpolitik ist er jederzeit mit Wärine eingetreten.
Insofern, als er Antisemit ist, nimmt Stöcker allerdings einen gesonderten Standpunkt ein, der amtlich keine Vertretung sindet. Allein sein Verhältnis zum Judentum ist ausschließlich sozialer Art, hat mit Rassen- nnd Religionshaß nicht das mindeste zn thn», weshalb er auch von den Antisemiten Bvckelscher Richtung nicht für voll angesehen, ja sogar aufs heftigste angefeindet nnd verfolgt wird.
Nach dein Gesagten versteht es sich von selbst, daß Stöckers fernere Thätigkeit keine „frondirende" sein kann und wird, wie die Gegner auszusprengen sucheu, sich vielmehr zu einer Fortsetzung des Bisherigen gestalten muß, nnr mit größerer Freiheit der Bewegung.
Diese Thatsache, so zweifellos sie schon heute feststeht, wird freilich nicht hindern, daß jene andre, die Entlassung Stöckers aus seinem Amte, sachlich eine Wirkung übt, die vom Standpunkte der „Staatsraison" weder gewollt wird, noch gewollt werden kann. Was dem Politiker von Fach unter Umstünden einleuchten mag, wird man der Masse nie verständlich machen. Wenn ein Mann, der sich mit der kaiserlichen Politik thatsächlich in voller Übereinstimmung befindet und ihr die außerordentlichsten Dienste geleistet hat, plötzlich aus seiucr amtlichen Stellung entlassen wird, so muß die Masse darin einen Beweis erblicken, daß jene Übereinstimmung eben geschwunden sei, und daß „neue Bahnen" betreten werden sollen. Das kann aber nach Lage der Dinge zu einer Erschütterung des Vertrauens führen, das, dank der unermüdlichen Hetze, wie sie bald in offner, bald in versteckter Weise gegen die kaiserliche Sozialpolitik getrieben wird, ohnehin auf ziemlich schwachen Füßen steht, dadurch aber, zunächst wenigstens, nicht gestärkt werden kann, daß die neuen sozialpolitischen Gesetze für jetzt mehr Lasten aufzulegen als Gewinn zu bringen scheinen.