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Tempel nnd Theater
Vorteil, der ihr in früheren Tagen aus solcher Haltung erwuchs, zu mißachten scheint und heute nicht mehr die Anerkennung verdient, die ihr der Mitarbeiter Richelieus, der Akademiker de Silhvn, in seinem heute noch beachtenswerte» Buche: Ninistrs ä'IZtiit, mit den Worten ausdrückt: I)o toutss 1>zs liumsurs cloirt 1v eorps sst oomposv lös ininist-rss <!u ^g.po u'o» estiniönt Mvuno tiint c^uv lo llogiuo.
Tempel und Theater
von Veit Valentin (Schlnß)
ls Sophokles den dritten sprechenden Schauspieler hinzufügte, so geschah dies ans dem Boden der neu gewonnenen Selbständigkeit der dramatischen Dichtung; es war die Folge der künstlerischen Notwendigkeit, zu der Hauptperson eine Kontrastwirkung zn schaffen und sie selbst dadurch umso wirksamer zu machen. Sobald dies aber erreicht war, blieb das griechische Drama bei der nun erlangten Zahl von drei sprechenden Schauspielern stehen, ganz vereinzelte Ausnahmen abgerechnet. Auch diese Thatsache ist nur verständlich, wenn die ursprüngliche Bedeutung des Raumes und der dadurch hervorgerufene Zwang beachtet wird. Das neue Kunstwerk durfte gerade so viel von der Überlieferung des Kultus abweichen, als das künstlerische Erfordernis unbedingt verlangen mußte; über diese Notwendigkeit hinaus wurde kein Schritt gethan.
Diese Bereicherung hatte jedoch eine andre bedeutungsvolle Folge. Durch den zweiten sprechenden Schauspieler war ein neuer Trüger des seelischen Lebens und seines Ausdrucks gewonnen, und zwar nach einer dem Seelenleben der Hauptperson entgegengesetzten Richtung, wozu der dritte sprechende Schauspieler uvch neue Seiten bringen konnte. Damit verwächst das lyrische Element mit dem epischen immer inniger, und der Chor fängt an, seine Berechtigung einzubüßen. In der That wird er bei Sophokles wenigstens so weit zurückgedrängt, daß die Ausdehnung der Epeisvdien großer, die der Chorlieder geringer wird, nnd bei Euripides erschciut er vielfach als eine hergebrachte, innerlich kaum mehr berechtigte Zuthat. Dagegen wachsen bei Svphvkles und ganz besonders bei Euripides die von der haudelndeu Person selbst gesungenen lyrischen Stellen; in ihnen sucht gerade Euripides eine Hauptstärke, so sehr,