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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Das ist nun nicht die Haydnsche Komposition. Diese ist vielmehr ein ganz mvtettenartig durchgeführtes vierstimmiges Gesangstück (?-ciur) mit Klavierbegleitung. Sie findet sich im achten Hefte der alten Ausgabe der Osuvros des .1. Ilu^dn, von Breittvpf und Härtet und neuerdings auch in der Edition Peters Nr. 1354 (Haydn, Vierstimmige Gesänge). Daß aber durch diese Komposition Haydus das Lied populär geworden sei, ist ganz undenkbar. Ganz abgesehen davon, daß die Klavierbeglei­tung dabei unentbehrlich ist, ist auch die Komposition selbst so künstlich, daß sie nur von musikalisch gebildeten Sängern, aber nimmermehr von einer durch den Zufall zusammengeführten Gesellschaft gesungen werden kann.

Aber auch die obeu wiedergegebene Melodie ist nicht populär geworden. Die Melodie, nach der das Lied heilte noch gesuugeu wird, ist die, die R. Musiol und O. v. Hase mit genügen Abweichungen von einander in der Nenen Zeitschrift für Musik mitgeteilt haben, und mit der auch folgende mir bekannt gewordene Weise ziemlich übereinstimmt:

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Wo diese herstammt, bleibt noch nachzuweisen. So viel ist sicher, daß sie mit der sentimentalen Umgestaltung des Textes, die jetzt verbreitet ist, zusammen­hängt (Haydn uud die Melodie von 178K haben noch den echten Ebertschen Text). Vielleicht ist sie, wie so viele Melodien, im Volismunde selbst ans Bestandteilen andrer Melodien zusammengestellt wordeu. Die dritte und vierte Zeile wenigstens erinnern auffällig an die beiden Zeilen aus demLandesvater":Hort, ich sing' das Lied der Lieder, Hort es, meine deutscheu Brüder." G rv

Falsche Thatsache«. Im vorige» Hefte der Grenzboten fühlt sich der Verfasser des vortrefflichen AufsatzesZum Schutze der Wahrheit in der Presse" gleich in der ersten Zeile veranlaßt, zu dem von ihm gebrauchten AusdruckFalsche Thatsachen" eine entschuldigende Aumerkung zu machen; der Ausdruck, sagt er, sei in der Juristensprache allgemein Mich, nnd es werde etwas bestimmtes darunter verstanden. Ja wohl, in der Juristen- und, wie man auch hier wieder hinzufügen kann, in -->- 'itungssprache. Beides ist ja immer so ziemlich dasselbe. Breite, ^u)unnji, ^-uuzengang, langatmige Umschreibung der einfachsten Begriffe (ganz ab­gesehen von wirklichen Sprachfehlern!) das ist es, was beide kennzeichnet. Auch in der Tagespresse kann man täglich von ,,falsche»," vonerfundenen," vonerdichteten Thatsachen" lesen! Als ob es nicht das Wesen der Thatsache wäre, daß sie eben wahr ist, daß sie sich wirklich zugetragen hat, als ob einefalsche Thatsache" nicht der albernste Widerspruch iu sich selbst wäre! Was die Herren Juristen und Zeitungs­schreiber sagen wollen, ist: einesachliche" oder einethatsächliche Unwahrheit." d. h. eine Unwahrheit, die nicht bloß in der Form der Darstellung liegt, also etwa in einer Übertreibung, einer Gehässigkeit, einer unverdienten Lobhudelei und dergleichen, sondern in der Sache selbst, im Inhalt. Sollte es denn nicht möglich sein, wenigstens aus unsrer Nechtssprache den llnsinn derfalschen Thatsachen" wieder zu beseitigen?

Grenzbvwn tll l.390

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