Litteratur
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Familiengeschichte hineinbringt, die sich auf dem Hintergrunde der niederländischen Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts abspielt. Er bemüht sich, die Verhältnisse, Zustände und Ereignisse der unheilvollen sechziger Jahre des sechzehnten Jahrhunderts, das Ende der Regentschaft der Herzogin Margarete von Parma, das Eintreffen des blntigen Herzogs von Alba und den Beginn der niederländischen Befreiung mit den Geusenkämpfen durch Erlebnisse und Gespräche der handelnden Personen hindnrchscheinen zn lassen. Gelingt dies nicht immer, und versagt es sich Wallis nicht, gelegentlich selbst dreinznsprechen, zn erläutern und dem historische!: Gedächtnis der Leser nachzuhelfen, so unterbricht dieser Übelflnud doch im ganzen den Fluß der Erzählung nicht, der mit etwas mehr als epischer Nnhe langsam fortrinnt. Die Breite des Romans ist stellenweise ermüdend; aber da es sich doch immer nm Ereignisse und Kämpfe handelt, deren Bedeutung und Nachwirkung sich bis auf die Gegenwart erstreckt, so wird sie nicht gerade zur Inhaltslosigkeit. In der Hauptsache werden, die Schicksale und Erfahrungen eines jungen Helden von dunkler, doch, wie sich schließlich ausweist, hoher Abstammung erzählt, der bei Beginn des Romans noch der alten Kirche angehört und zu den die Niederlande bewegenden Glaubensfragen so wenig Stellung genommen hat, als zu dem Konflikt zwischen niederländischem Selbständigkeitsdrange und spanischem Despotismus. Edward Mel- ville wird durch eine Reihe innerer und äußerer Prüfungen nach und nach der evangelischen Sache zugeführt, ergreift die Waffen dafür, widersteht dem Flehen seines Vaters, des Grafen und Herzogs von Viale, der ihn schließlich anerkennen will, reißt sich auch von der Geliebten los, die vor der letzten Entscheidung noch einmal in seinen Gesichtskreis tritt, und stirbt in der Schlacht von Heiligerlee, angesichts des ersten Sieges, den die niederländischen Protestanten gegen die Spanier erfochten haben. Die opferwillige Stimmung, die in ihm obwaltet, verkörpert die Stimmung des nordniederländischen Volkes in jener schweren Zeit. Gleichwohl wird die Teilnahme für den Helden nicht warm und lebendig, es fehlt dein Roman an einer starken, vorwärts drängenden, uns lebendig mit ergreifenden Empfindung, der Verfasser illnstrirt zu viele Gemeinplätze etwa vom Schlage des uachstehendein „Ein wie schwaches, gebrechliches Geschöpf der Mensch an sich auch ist, so sind doch häufig erst furchtbare Schläge nötig, ehe das arme Herz bricht, und dann ist der Augenblick gekommen, in dem die Seele klagt, daß sie so viel Widerstandskraft besitzt, und die Lippen flehen: Ach, daß ich sterben könnte!" Auch die allzu häufigen Wiederholungen der schmiickcnde.it und belebenden Worte bei den Gestalten, denen der Verfasser seine besondern Sympathien gönnt, wie z. B. bei der Nonne Klara, wirken langweilig. Alles in allem muß man sich doch fragen, warum Bücher dieses Gepräges übersetzt werden, die doch an die guten historischen Romane, die wir in deutscher Sprache habe», nicht heranreichen und selbst mit frischen Erzählungen zweiten Ranges, wie Spindlers „Jude" und „Jesuit," Lentners „Tiroler Banernspiel" und andern, die mit Unrecht vergessen sind, nicht in die Schranken treten können. Als bloße „Novität" will ein Buch dieser Art doch nicht angesehen sein, und bleibenden Wert kann man ihm. trotz mancher Einzelvorzüge nicht zusprechen.
Eine Fahrt ins Neue Deutschland. Bon Armin Meinrad. Kaiserslautern,
A. Gotthold
Ein ehemaliger Göttinger Student, Sprecher der Germanen, Teilnehmer an dem unglücklichen Sturm auf die Konstablerwacht in Frankfurt und nun seit einem halben Jahrhundert Arzt in Amerika, ist vom Heimweh wieder über das Meer