Hegels Tehre über die Familie
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das Aufgehen im Andern die volle Freiheit haben, die zu einer sittlichen Handlung und zu einem sittlichen Verhältnis gehört. Die Ehe unter nahen Blutsverwandten ist daher ihrem Begriffe selbst zuwider, wie sie auch wahrhafter natürlicher Empfindung zuwider ist. Blutsverwandte sind schon in unmittelbarer Natürlichkeit vereinigt; was aber schon vereinigt ist, das kann nicht erst noch vereinigt werden. Was vereinigt werden soll, das mnß vorher getrennt sein. So ist die Scheu vor Ehen unter Blutsverwandten schon durch den Begriff der Sache gerechtfertigt, wie es denn auch bekannt ist, daß die Kraft des Geistes und des Körpers bei fortgesetztem Heiraten in einer Familie immer mehr abnimmt; Kraft stellt sich überall nur her aus Gegensätzen.
Wir kommen nun an das zweite Stück, das die Familie bildet, nn das Gut der Familie. Als eine Einheit hat die Familie ihre äußerliche Realität, ihren äußerlichen Bestand in einem Eigentum; durch das Eigentum hat sie ihr Dasein als ein wirksames, wodurch sie etwas vermag. Daher ist das Eigentum das Vermögen der Familie. Es gehört also zum „substantiellen Dasein" der Familie und bildet einen wesentlichen Bestandteil von ihr, oder, wie Hegel das ausdrückt: das Vermögen der Familie bildet „ein den Begriff derselben kvnftitnirendes Moment." Wie die Familie eine Einheit ist, so ist sie auch eine rechtliche Persvu; darum hat sie, wie die Person überhaupt, das Bedürfnis eines bleibenden sichern Besitzes; solchen Besitz nennen wir eben Vermögen. Das Streben nach Vermögen wird erst in der Familie wahrhaft sittlich. Denn das Bedürfnis sowie die Eigensucht des bloß Einzelnen verändert sich in der Familie in die Sorge für ein Gemeinsames. Darin liegt die sittliche Bedeutung des Vermögens, des festen Eigentums. Darum erscheint anch die Einführung des Eigentums und die der Ehe in den Sagen von den Stiftungen der Staaten bei einander, wie wir sie auch bei einander finden in der herrlichsten poetischen Wiedergabe dieser Sagen in Schillers „Eleusischem Feste."
Die Sorge für die Bedürfnisse und damit für den Erwerb nach außen sowie die Verwaltung und die Verfügung über das Familienvermögen kommt dem Maune zu, der die Familie als ihr Haupt vertritt. Trotzdem ist der Erlverb gemeinsames Eigentum, au das jedes Familienglied sein Recht hat, ohne daß irgend ein Glied ein besondres Recht daran geltend machen könnte. Wegen dieses gemeinsamen Rechtes und des dem Haupte der Familie zustehenden Verfügungsrechtes, das etwas Besonderes ist, können „Kollisionen" zwischen dem Haupt und den andern Familiengliedern vorkommen, von denen Hegel nicht fagt, wie sie ihre Lösung finden. Eine allgemeine Regel dafür läßt sich auch gar uicht aufstellen; jeder Fall erfordert feine eigne Lösung, die bisweilen, wenn starke Gegensätze in Konflikt geraten, recht tragischer Natur ist.
Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß in der Ehe Gütergemeinschaft das natürlich-sittliche Verhältnis ist. Ehevertrüge haben nur einen Sinn für den Grenzlwtm lll 1690 51